Bonn, Kaiserplatz 21.8.

 

Lieber Stefan,

ich nahm gerade den ersten Nippschluck aus dem Espressotässchen – da rief Pirandello über den Platz mit weit ausgebreiteten Armen: „Signor Damonte … ich nenne Sie einfach so … wo waren Sie nur in den letzten Tagen, ich habe Sie vermisst!“ – „Scusi, göttlicher Dottore, ich besuchte meinen Neffen in Stuttgart, er malte mir ein Bild, ‚Fragmentierung‘ … in Öl.“ – „Er ist wohl ein malender Philosoph?“ – „Vielleicht“, sagte ich, „man wird sehen, er ist noch ein Suchender.“ – „Wir sind immer Suchende“, sagte er lächelnd. – „Ja“, sagte ich, „hoffentlich findet er auch.“ – „Nein nein, Damonte, wenn wir finden, haben wir einen Fehler gemacht.“ – „Sie übertreiben“, entgegnete ich, „vielleicht suchen wir dann noch besser.“ – „D’accordo“, sagte Pirandello, „d’accordo.“

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

Weiterführend →

Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.