Vom Eiskeller, der sich nur noch durch die altertümliche Aufschrift EISKELLER über einem mit Abfall verstopften Kellerschacht in Erinnerung bringt, führt die Straße parallel zu den Straßenbahngleisen in Kurven abwärts und fällt jäh ins Grüne ein. Eine breite, gut ausgebaute, selten befahrene Allee teilt das verwilderte Zechengelände.
Zu den Seiten brechen Bunkerstücke aus dem Gestrüpp, zusammengenagelte Buden, mit Warnschildern versehen, zwischen Schotteraufwürfen und unkenntlichen Gerätschaften aufs Gelände verteilt überall, und ferner, auf einmal vorläufigen Anhöhen, erstrecken sich verfallene Fabrikgebäude, manchmal doppelt durch Stachel zäune gesichert. In Schlammulden sammelt sich Gerümpel, das jegliche Verbindlichkeit zu der Gegend ausschließt. Unvermutet führen ausgetretene Wege hinauf zu den Gärten der Wohnsiedlung.
An den Abenden treten häufiger Schmerzen auf, deren Ort unauffindbar bleibt. Es sind Schmerzen, die keine Zutat bilden, sondern ein Fehlen signalisieren. Dieses Fehlen fühlt sich besetzt von Stichworten, die nicht mehr fallen.
Stattdessen drängt sich auf, was sich gleichbleibt: das Bild der aufs Haus zustrebenden Straße, die ins Wahllose deutende Anhöhe, die Zeichenlosigkeit hinter erleuchteten Fenstern, das Zurechtgeschnittene lautlosen Schauens. Stünden hier Bäume, ließe sich in der Dämmerung dahinter etwas vermuten, das in kurzer Zeit erreichbar wäre, auch ohne das Haus zu verlassen. Oder man würde das Haus verlassen bis zu einer gewünschten Entfernung.
Viel trinkt und raucht sie am liebsten alleine, weil sie sich dann vor sich sicher weiß. Sie kann ihren immer düsterer werdenden Neigungen nachgehen, indem sie sie in dem Bewusstsein, ausgesetzt jeder Willkür, beseitigt. Unter Beseitigen versteht sie, was das Wort mein: was für sie seitlich ist, ist das, was sie grenzt und damit vorläufig sichert.
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Delta … als sei ihre Unsichtbarkeit nichts weiter, von Angelika Janz 2021
Angelika Janz erzählt im Delta ganz aus der Innenperspektive und schafft eine leicht verfremdete Atmosphäre. Mit sezierendem Blick und literarisch sehr eigenwillig zeigt sie eine soziale Gemeinschaft und eine Gesellschaft, die sich selbst zersetzen. Über eine zusammenhängende Folge hinweg wird die Geschichte durch die vielen kleinen redundanten Bewußtseinsströme in Offene geführt.
Weiterführend →
Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd