MARIAS. Ein Nekrolog

Die Galerie amschatzhaus freut sich die in Köln lebende, österreichische Autorin Sophie Reyer zu begrüßen. Reyer, die auch als Komponistin arbeitet, wird aus ihrem Prosatext MARIAS. Ein Nekrolog sowie aus ihrem aktuellen Lyrikband flug(spuren) lesen.

MARIAS. Ein Nekrolog erscheint im März im Klagenfurter Ritter-Verlag. Ausgehend von historischem Material aus drei Jahrhunderten, das Sophie Reyer aus den Archiven eines Frauen-Dokumentationszentrums und einer Haftanstalt bezog, breitet die Autorin einen nicht enden wollenden Katalog von Kindsmörderinnen aus. Auf verschiedenen Erzählwegen und aus mehreren Perspektiven – jener der betroffenen Frauen selbst, jener eines religiös konnotierten Über-Ichs sowie jener einer urteilenden und strafenden Gesellschaft – durchmisst die Autorin Seelentopographien jenseits landläufiger Täter-Opfer-Zuschreibungen. Unterbrochen wird der mehrstimmig angelegte, von Anfang bis zum Ende durchrhythmisierte Erzählfluss immer wieder durch lakonische Kommentare aus dem Blickwinkel eines zeitgenössisch-aufgeklärten, feministischen Bewusstseins. Dieses hinterfragt kritisch die zitierten Quellen ebenso wie die tradierten Verwendungsweisen des Medea-Motivs in der hohen Literatur oder im Sensationsjournalismus. Mittels tektonischer Bezugnahmen auf die kirchenmusikalische Gattung des Requiems entwickelt Sophie Reyer für MARIAS. Ein Nekrolog eine außergewöhnliche Form profanen Totengedenkens, dessen Intention nicht zuletzt darin besteht, ›mundtot‹ gemachten Frauen eine Stimme zu verleihen.

In ihrem Lyrikband flug (spuren), 2012 in der Edition Keipe erschienen, legt die derzeit in Köln lebende Autorin und Komponistin Sophie Reyer brüchig-zarte und doch kraftvolle, sinnlich konkrete Miniaturen vor. Aus wenigen Wörtern entsteht hier ein atmosphärisch dichter Mikrokosmos, der gänzlich frei von lyrischen Klischees vielerlei poetische Überraschungen birgt.

 

 

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Heute ab 16.30 h: Sophie Reyer, amschatzhaus Hauptstr. 18, 41472 Neuss, Eintritt: 6,00 €

Weiterführend → Vertiefend zur Lektüre empfohlen sei auch das Kollegengespräch :2= Verweisungszeichen zur Twitteratur von Reyer und Weigoni zum Projekt Wortspielhalle. Eine höherwertige Konfiguration entdeckt Constanze Schmidt in dieser Collaboration. Holger Benkel lauscht Zikaden und Hähern nach. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht Sophie Reyer der Frage nach, wie das Schreiben durch das schreibende Analysieren gebrochen wird. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. Eine Würdigung des Lebenswerks von Peter Meilchen findet sich hier. Alle LiteraturClips dieses Projekts können hier abgerufen werden. Hören kann man einen Auszug aus der Wortspielhalle in der Reihe MetaPhon.