Formerfinder treffen auf Allegorienschöpfer

Wer nicht fühlend sehen will, muß lesen

A.J. Weigoni. Photo: Jesko Hagen

Als gegenseitig befruchtender Dialog zwischen bildender Kunst, improvisierter Musik und sprachlicher VerDichtung muß man das spartenübergreifende Projekt Prægnarien verstehen. Hieß es einst »Wer nicht hören will, muß fühlen«, könnte man nun behaupten: Wer nicht fühlend sehen will, muß lesen. Und hören.

Diese Projekt setzt die Zusammenarbeit der Artisten in der Werkstattgalerie Der Bogen fort, die im Rheintor ihren Anfang nahm und an diesem Abend mit der Live-Aufzeichnung des neues Hörbuchs von Bracht / Weigoni ihren Abschluß findet.

 

Haimo Hieronymus bearbeitet das Hörbuch-Cover, Photo von Mona Dadari

Haimo Hieronymus bevorzugt das Individuelle des Strichs, empfindet im Glattgebügelten reiner Ideenkunst beliebige Langeweile und gähnende Austauschbarkeit. A. J. Weigoni verachtet die Bewertungskultur der Medien. Der Posaunist Philipp Bracht spielt Noten abseits der vorgeschriebenen Linien. Diese Artisten wollen als Künstler nicht bewundert, sondern in treusorgender Ironie betrachtet werden, ein Augenzwinkern ist nicht ausgeschlossen.

A. J. Weigoni veranstaltet in diesen Prægnarien ein furioses Stimmenkonzert aus Reimen und Kalauern, den Tücken der deutschen Grammatik und ihren Wortzusammensetzungen. Es gibt in diesen Gedichten Buchstaben als etwas Hörbares und Buchstaben als etwas Sichtbares.

Philipp Bracht,Photo: Jesko Hagen

In der künstlerischen Auseinandersetzung treffen sich Bracht, Weigoni und Hieronymus regelmäßig an der Grenzlinie, dort, wo Schrift in Zeichnung und auch in Klang übergeht. Es geht bei dieser Performance um die Sehnsucht nach Körperlichkeit, sinnlicher Unmittelbarkeit. Keine anderer Klang lebt so sehr vom Atem. Keine andere Musik verlangt ähnlichen körperlichen Einsatz. Bläser und Angeblasene verschmelzen zu einer Einheit, werden Teil eines großen atmenden Klangkörpers. Keine Maschinen, sondern allein die Lungenzüge geben den Rhythmus vor.

 

 

 

 

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Praegnarien, Performance von Philipp Bracht und A.J. Weigoni in der Werkstattgalerie Der Bogen, Arnsberg, heute ab 20.00 Uhr

Gedichte, Hörbuch von A.J. Weigoni mit den lyrischen Gesamtaufnahmen, Edition Das Labor, Mülheim 2015

Prægnarien, Hörbuch von Philipp Bracht, Frank Michaelis und A.J. Weigoni. Eine limitierte Auflage von 50 Exemplaren ist versehen mit einem Original von Haimo Hieronymus. Edition Das Labor, Mühleim an der Ruhr 2013

Auf dem Cover finden wir paßgenau hingetuschte Porträts.

Hörproben → Probehören kann man die Prægnarien auf MetaPhon. Ein Video von Frank Michaelis und A.J. Weigoni hier.

 → Lesen Sie auch die Würdigung von Jens Pacholsky: Hörbücher sind die herausgestreckte Zunge des Medienzeitalters.

Weiterführend → Jeder Band aus dem Schuber von A.J. Weigoni ist ein Sammlerobjekt. Und jedes Titelbild ein Kunstwerk. KUNO faßt die Stimmen zu dieser verlegerischen Großtat zusammen. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt.