Zirkelschluß

Keine Atempause / Geschichte wird gemacht / es geht voran

Peter Hein

I need space lautete die ultimative Forderung der Graphikerin Lin Chung, als wir sie baten, die Edition Das Labor wiedererkennbar zu machen. Wir begreifen dies als Aufforderung sich permanent in einer Nische einrichten zu wollen, in der keine Publikumsmassen zu erwarten sind. Dies ist ein Wagnis, doch bei Kulturnotizen und der Edition Das Labor scheint es geglückt.

Embedded Blogging

Das Blatt hat sich gewendet. Die bürgerliche Zeitung hat mit dem Verlust der Deutungshoheit über die Welt auch ihre Aura verloren und sich im allgemeinen Medienmix aufgelöst. Es ist mittlerweile ein Berufsbild entstanden, in dem der Journalist kaum mehr ist als ein multimedialer Dienstleister, der den Input seiner Kunden moderiert. Die bürgerliche Zeitung hat es nicht geschafft, den Online-Journalismus für sich zu erobern. In einer angepassten Presselandschaft fehlt es den Mediemachern vor allem an kritischer Distanz. Überregionale Tageszeitungen fallen dem Medienwandel zum Opfer. Der Tod der bürgerlichen Zeitung ist eine Frage der demografischen Entwicklung. Der neue Leser bindet sich nicht, die Zeitungskrise ist also mitnichten eine Leserkrise. Was uns auf KUNO umtreibt, ist die Gestaltung eines Forums für Kritik und Diskurs, das ein paar gute Eigenschaften hat, die kein anderes Medium bieten kann. Wir wollen den Anspruch nicht aufgeben, Gegeninformationen zu liefern, und die analytische und intellektuelle Substanz bewahren.

Knotenpunkt für lebendigen Austausch

Obwohl unter den Zeltschrägen eines gemeinsamen Umschlags, bilden die Beiträger zu diesem Projekt keine homogene Gruppe. Es gibt keinen anderen gemeinsamen arspoeticagleichen Ansatzpunkt als den, Kultur anders einzuordnen, um schließlich eine Art kritischer Mutation hervorzuzaubern. Eben durch die Unterschiedlichkeit der Arbeiten, durch die Unvereinbarkeit der gezielten Darlegungen und dank dieser Inkompatibilität wird in diesem Projekt die gegenwärtige Lage der Kultur deutlich. Der Aufklärung das Wort redeten, mag démodé sein, Überreste existieren nurmehr in Nischen, in der potenziell unendlichen, dafür umso parzellierteren Öffentlichkeit des Netzes.

Persönlicher Zugang als Mehrwert

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist Kunst der Inbegriff des Fragmentarismus, der unsere Zeit ansteckt, dadurch charakterisiert und die multipolar belastete Verwirrung und Fassungslosigkeit der Methoden der existentiellen Werkzeuge lässig hinter sich läßt. An die Stelle der Bilderskepsis tritt die Freude an der dichten Beschreibung und pointierten Analyse. Auf KUNO wagt jeder auf seine Art und Weise eine Berufung der Methode einzulegen, indem man eine Berufung der Rhetorik heraufbeschwört. Die alten Fragen der Kultur – wie die nach dem Geschlechterverhältnis oder dem schäbigen Rest des Unerklärlichen, das sich der menschlichen Erkenntnis entzieht – bleiben erhalten.

Bandbreite an Sichtweisen

Die Verflechtungen von Poesie, Kunsttheorie, persönlicher Biographie und politischen Ereignissen, von Querverweisen zwischen Literatur und Kunst sowie Bezugslinien zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft machen diese Kompilation zu einer komplexen Lektüre. Das simultane Angebot literarischer, akademisch-theoretischer und feuilletonistischer Schreibweisen eröffnet eine Dimension, die für die Gesellschaft unverzichtbar ist. Über Verfremdungen werden Befindlichkeiten, Wünsche, Hoffnungen und Befürchtungen der Mitmenschen in Zeiten tiefgreifender Veränderungen ausgedrückt.

Integration

KUNO bietet in regelmäsiger Abfolge eine multimediale Integration von Primärtexten, Artikeln, Essays, Hintergrundinformationen, Video und Audio. Wir haben uns vernetzt mit Literaturportalen wie fixpoetry, Poetenladen oder Lyrikzeitung, und nicht zu vergessen: vordenker. Auch im neuen Jahr will KUNO eine Kommentierung pflegen, die den ordnungspolitischen Konsens des meinungsbildenden Feuilletons bricht.

Wir danken den Autoren und Künstlern, die Kulturnotizen mehr als Content eingehaucht haben und den Lesern für das tagtägliche Interesse – in der Hoffnung, daß der Stamm der Abonnenten weiter wachse.

 

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Weiterführend →

Erinnerung wird zunehmend auf neue Technologien ausgelagert. Das Grundproblem der Erinnerungskultur, der Zeugenschaft, der Autorschaft, ist die Frage: Wer erzählt, wer verarbeitet, wem eine Geschichte gehört? – „Kultur schafft und ist Kommunikation, Kultur lebt von der Kommunikation der Interessierten.“, schreibt Haimo Hieronymus in einem der Gründungstexte von KUNO. Die ausführliche Chronik des Projekts Das Labor lesen sie hier. Diese Ausgrabungsstätte für die Zukunft ist seit 2009 ein Label, die Edition Das Labor. Diese Edition arbeitet ohne Kapital, zuweilen mit Kapitälchen, meist mit einer großen künstlerischen Spekulationskraft. Eine Übersicht über die in diesem Labor seither realisierten Künstlerbücher, Bücher und Hörbücher finden Sie hier.

Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die Künstlerbucher sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421