Rattenscharf

 

»Konntest die Glotzer nicht von ihrem roten Palmers–Bustier lassen. Und dann hat sie dich einfach umgehauen!« Shari reizte Bronischewski mit einem kalten Lächeln. Er spürte seine Wut. Würde sie am liebsten übers Knie legen und ihr den Arsch versohlen. Beherrschte sich.

„Diese kleine Schlampe bremst mich nicht mehr aus. Und die große Hure greif‘ ich mir!“

»Und du fandest sie also geil?«, unter Martin Tilkowskis väterlichem Tonfall lag die präzise Stimme des Jägers.

»Turbo geil. Rattenscharf. Echt, Alter!«

»Wo habt ihr sie zuletzt gesehen?«

»Am Friedhofseingang. Sie ist in der Menge verschwunden…«, gab Ansgar an ihrer Stelle zur Antwort. Shari würde die ganze Sache noch verpatzen und böse für ihn enden lassen, »wir haben Mist gemacht. War der Alkohol. Shari ist immer noch betrunken. Lassen Sie uns gehen.«

Tilkowskis altväterlicher Tonfall veränderte sich in einen bellenden Kommandoton:

»Komm mir nicht auf die Tour, Bürschchen! Schleimscheißern kannst du woanders. Ich hab noch andere Sachen zu tun.«

Ansgar zuckte zusammen, als hätte man ihn geschlagen. Er musste die Polypen auf eine Idee bringen. Vielleicht ergab sich ein Deal. Er tat etwas Beschwerliches, er dachte nach.

»Also, wenn sie mich fragen, gehört sie zu den Typen beim Sport–Palast. Welche Frau steigt sonst freiwillig in den Ring?«

»Bedanke mich, bis dahin!«, zischte der dicke Bronischewski vor sich hin. Er hatte die Faxen dicke. Bahnte sich zielstrebig den Weg zur Boxbude und ließ die Muskeln spielen. Der Manager ließ den Boxer kommen, der sie vor den Fäusten hatte. Sie bestätigen, dass die drei gemeinsam in der Menge verschwunden waren.

»Wohin?« Der Manager zuckte gleichmütig mit den Schultern. Es interessierte niemanden, wohin die Menschen gingen. Sie liefen doch alle nur im Kreis, liefen einen Parcour ab, ohne wirkliche Hürden zu nehmen. Bronischewski brachte ein verständnisvolles Nicken zustande. Er hatte nicht viel in der Hand. Eine tote Kellnerin, wegen der niemand die Kirmes unterbrechen würde, ein geiles Pärchen, einen verkaterten Chef. „Vielleicht hatte ihm die Hitze noch nicht das Gehirn verbrannt!“, dachte Bronischewski, und die feminine Seite in ihm, die sich mit seinen Instinkten aussöhnte, gab ihm recht. So wie jede Frau weiß, dass ihre Natur sie einmal in ihrem Zyklus zur Höchstform gelangen lässt, so glaubte Bronischewski fest daran, dass er die mutmaßliche Serien–Killerin noch im Lauf dieser Nacht packen würde.

 

 

Fortsetzung folgt.

***

Massaker, ein Cranger-Cirmes-Crimi von Barbara Ester und A.J. Weigoni, Krash-Verlag 2001

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In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Lesen Sie auch das Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit dem echten Bastei Lübbe-Autor Dieter Walter. Eine Würdigung von Massaker durch Betty Davis lesen Sie hier. Die Hörfassung unter dem Titel Blutrausch hören Sie in der Reihe MetaPhon. Als Tag für die Vorstellung dieses Cranger-Cirmes-Crimis war der 11. September 2001 vorgesehen.