Geli

 

Die Tür öffnete sich. Neben dem Zigarettenautomaten quetschten sich Werner, Martin und eine Frau herein, die Geli nicht einordnen konnte.

»Ah!«, posaunte der Grope, »… Mylady!«

Rosi zwinkerte Geli zu. Weiteres erübrigte sich unter Freundinnen. Die Barfrau drehte die Musik bis zum Anschlag auf, um das Schmalz aus den Ohren zu pusten. Mit „My generation“ von limp bizkit hämmerten Schweinegitarren durch die Lautsprecher. Geli war bereit ihren Liebeskummer zu vergessen, Rosi ihre Grobschlächtigkeit. Es roch nicht nur nach Rauch und Alkohol, sondern nach schlechten Manieren, nach Jagd.

»Wird Ärger geben…«, brummte Rosi, wandte der Schwarzhaarigen mit den dunklen Augen den Rücken zu. Geli musterte die Neue, versuchte sich zu erinnern, woher sie sich kannten… enge Jeans. Hacken am Ende der langen Beine. Bauchfreies T–Shirt. Schwarzer Rucksack, an dem ein kleiner Stoffteddy hing.

Geli, die mit ihrem Übergewicht einen folgenlosen Kampf ausfocht, schluckte. Ein kühler Blick war die Antwort auf ihre Überprüfung. Für Gelis Geschmack um Frostgrade zu eisig.

»Hübsch, Jacqueline.«

Sie lächelte Maikel zu. Grübchen zeichneten sich in den Wangen ab. Geli starrte ihn an. Seit sie im Querschlag arbeitete, hatte sie die Gelegenheit am Verstand der Kerle zu zweifeln.

»Majestät. Bedanke mich für ihr rührseliges Kompliment…«, erwiderte Jacqueline. Geli sah, dass es dem Kerl gefiel, »… halten Sie nun die Schnauze.« Und er hielt still. Mit Schaudern stellte Geli fest, dass es ihm sogar gefiel.

»Ein Bier für die Königin des Schweigens«, apportierte Maikel. Geli zapfte und erinnerte sich, Schweigen sei das Handwerk der Rache. Sie reichte Jacqueline das Pils. „Königin des Schweigens“, surrte es ihr noch einmal durch den Kopf. Nicht lauter als die verkratzte Aufnahme auf einer oft gespielten Schellack–Platte.

Danach wurde die Lage unübersichtlich. Wie auf ein abgesprochenes Zeichen hin stürmte die Nachhut von der Kirmes in den Querschlag, um sich restlos die Kante zu geben. Geli verlor kurz den Überblick. Dann pegelte sich alles wieder ein. Anspruchsvoll waren die Gäste um diese Zeit nicht mehr, Bier und Schnaps mussten laufen. Gläser gab es nur für Stammgäste, alle anderen bekamen weiße Plastikbecher. Martin und Werner winkten als erste vom harten Kern ab. Vorbei die Zeiten, als sie tagelang aus dem Feuerlöschschlauch saufen konnten.

 

 

Fortsetzung folgt.

***

Massaker, ein Cranger-Cirmes-Crimi von Barbara Ester und A.J. Weigoni, Krash-Verlag 2001

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In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Lesen Sie auch das Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit dem echten Bastei Lübbe-Autor Dieter Walter. Eine Würdigung von Massaker durch Betty Davis lesen Sie hier. Die Hörfassung unter dem Titel Blutrausch hören Sie in der Reihe MetaPhon. Als Tag für die Vorstellung dieses Cranger-Cirmes-Crimis war der 11. September 2001 vorgesehen.

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