Ein Gesang wider den Neid

 

HAtt zwar die Mißgunst tausendt Zungen /

Und mehr dan tausend ausgestreckt /

Und kompt mit macht auf mich gedrungen /

So werd ich dennoch nicht erschreckt ;

Wer Gott vertrawt in allen dingen /

Wirdt Weldt / wird Neidt / wird Todt bezwingen.

Hör ich gleich umb und umb mich singen

Die sehr vergifftete Siren ;

So soll mich dennoch nicht bezwingen

Jhr lieblichs Gifft / und hell gethön ;

Jch will die Ohren mir verkleben /

Und für sie frey fürüber schweben.

Gefellt dir nicht mein schlechtes* Schreiben /

Und meiner Feder edles Safft /

So laß nur balt das Läsen bleiben /

Eh dan es dir mehr unruh schafft ;

Das / was von anfang ich geschrieben /

Wird kein verfalschter Freund belieben.

Weistu mich gleich viel für zuschwetzen /

Von meiner Leyer ab zustehn ;

So soll mich doch allzeit ergetzen

Das Arbeitsahme müssig gehn :

Laß aber du dein Leumbden bleiben /

Damit du mich meinst auff zureiben.

Jch weiß / es ist dir angebohren /

Den Musen selbst abholt zu sein /

Doch hat mein Phoebus nie verlohren /

Durch deine List / den hellen Schein :

Die Tugend wird dennoch bestehen /

Wen du / und alles wirst vergehen.

Ein grimmes Thier hat dich erzeuget /

Die Höllgöttinnen haben dich

An ihrer harten Brust geseuget /

Und Momus nennt dein Vater sich ;

Dein Vaterland ist in der wüsten /

Da Basilisk* und Eulen nisten.

Solt ich üm deinet willen hassen

Den allzeit grünen Helicon /

Und mich zu dir herrunter laßen /

So hett ich warlich schlechten Lohn.

Nein / ich bleib auf Parnaßus Spitzen /

Du magst in Plutons Reiche sitzen.

Was würde wol mein Phöbus sagen /

Wen ich das grüne Lohrberlaub

Mir würde selbst vom Häupte schlagen /

Und werffen in der Erdenstaub ?

Euterpen würd es ja verdrüßen /

Wenn Jhre Magd wehr außgerißen.

Thalia würd es hoch empfinden /

Und Clio würde zürnen sehr /

Ließ ich die werthe Leyer hinden /

Und liebte Neid und Leümbden mehr :

Drüm laß nur ab mit deinen Rencken /

Mein zartes Alter baß zu krencken /

Vermeynstu / daß nicht recht getroffen /

Daß auch dem weiblichen Geschlecht

Der Pindus allzeit frey steht offen /

So bleibt es dennoch gleichwohl recht /

Daß die / so nur mit Demuht kommen /

Von Phoebus werden angenommen.

Jch darf nun auch nicht weitergehen /

Und bringe starcke Zeugen ein ;

Du kanst es gnug an disem sehen /

Daß selbst die Musen Mägde sein :

Was lebet soll Ja Tugendt lieben /

Und niemandt ist davon vertrieben.

Gantz Holland weiß dir für zusagen

Von seiner Bluhmen Tag und Nacht ;

Herrn Catzen magstu weiter fragen /

Durch den sie mir bekant gemacht :

Cleobulina wird wol bleiben /

Von der viel kluge Federn schreiben.

Was Sappho für ein Weib gewesen

Von vielen / die ich dir nicht nenn /

Kanstu bey andern weiter lesen /

Von den ich acht und fünffzig kenn /

Die nimmer werden untergehen /

Und bey den Liechten Sternen stehen.

Sollt ich die Nadel hoch erheben /

Und über meine Poesey /

So muß ein kluger mir nachgeben /

Daß alles endlich reisst entzwey ;

Wer kan so künstlich Garn auch drehen /

Das es nicht sollt in stücken gehen ?

Bring alles her auß allen Enden /

Was je von Menschen ist bedacht /

Was mit so klugen Meister Händen

Jst jemahls weit und breit gemacht /

Und laß eß tausend Jahre stehen /

So wird es von sich selbst vergehen.

Wo ist Dianen Kirch geblieben ?

Des Jup[‘]ters Bild ist schon davon ;

Sind nicht vorlengst schon auffgerieben

Die dicken Mauren Babilon ?

Was damahls teuer gnug gegolten /

Wird jetzt für Asch und Staub gescholten.

Doch daß / was Naso hat geschrieben /

Was Aristoteles gesagt /

Jst heut bey uns noch überblieben /

Und wird auch nicht ins Grab gejagt /

Sie leben stets und sind gestorben /

Und haben ewigs Lob erworben.

Was uns die Schar der Klugen lehret /

Wird heut noch durch der Feder Macht /

Auff Fama Pfeiffen angehöret /

Und uns zur Nachricht fürgebracht /

Jhr Lob wird weit und breit erschallen /

Bis alles wird zu Boden fallen.

Wan selbst das weite Rund von innen

Auch wehre lauter schwartze Dint /

So wird es doch nicht leschen können /

Was man von den[‘] geschrieben findt /

Die mit geflügelten Gedancken

Nicht von der Weißheit bahne wancken.

Mein Opitz (dem das Lob gebühret /

Das Teutschlandt / seiner Sprachen Pracht

Und edlen Leyer halben führet /

Weil Er den anfang hat gemacht)

Wird billig oben an geschrieben

Bey den[‘] / die Kunst und Tugend lieben.

Sein Lob wird nicht verdecket werden /

Kein Neid verbirget seinen Preiß /

Weil selbst das große Rund der Erden

Mit seiner Kunst zu pralen weiß ;

O möcht ich halb so guht nur singen /

Und so den Thon der Leyer zwingen !

Laß nur / O Neid ! dein Leumbden bleiben /

Jch weiß es ohn dich mehr als wol /

Wen ich nicht mehr Poetisch schreiben /

Undt dieses hinterlassen soll.

Jch wil mich in die Zeit wol schicken /

Du solt mich doch nicht unterdrücken.

Jch wil hinfüro GOTT vertrawen /

Von dem soll sein mein Tichten all /

So kan mich auch für dir nicht grawen /

Drüm sag ich billig noch einmahl :

Wer GOTT vertrawt in allen Dingen /

Wird Welt / wird Neid / wird Todt bezwingen.

 

 

 

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Sibylla Schwarz, Werke Briefe Dokumente. Hrsg. Michael Gratz.. Band 1. Leipzig: Reinecke & Schwarz 2021

Dieses Gedicht wurde von Erika Greber als das „wohl erste kompromisslos feministische Gedicht der Weltliteratur“ angesehen

Sibylla Schwarz,  (24. Februar 1621 Greifswald – 10. August 1638 ebenda) bewies eine für ein Mädchen der damaligen Zeit ungewöhnliche Bildung. So kannte sie Martin Opitz, dessen Buch von der Deutschen Poeterey ihr als Vorbild für Metrik und Form diente. 1638 erkrankte sie plötzlich an der Ruhr und starb im Alter von 17 Jahren am Hochzeitstag ihrer älteren Schwester, der ihr letztes Gedicht gewidmet ist. Ihre Gedichte wurden 1650 postum von ihrem Lehrer Samuel Gerlach unter dem Titel Deutsche Poëtische Gedichte in zwei je über 100 Gedichte umfassenden Teilen veröffentlicht. Einige Lieder wurden auch in Gesangbücher aufgenommen. Eine Zeit lang war sie als „die pommersche Sappho“ berühmt, geriet aber im 18. Jahrhundert in Vergessenheit. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Literaturforschung wieder auf Sibylla Schwarz als eine der wenigen Frauen in der Barocklyrik aufmerksam. 1980 erschien ein photomechanischer Nachdruck des 1650 erschienenen Buches, das der Forschung als Quelle dient. Im Januar 2021 erschien der erste Band der kritischen Gesamtausgabe im Verlag Reinecke & Voß.

 

Weiterführend Die Redaktion blieb seit 1989 zum lyrischen Mainstream stets in Äquidistanz.

1995 betrachteten wir die Lyrik vor dem Hintergrund der Mediengeschichte als Laboratorium der Poesie

→ 2005 vertieften wir die Medienbetrachtung mit dem Schwerpunkt Transmediale Poesie

→  Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott KUNO dieses post-dadaistische Manifest.

→ 2015 fragen wir uns in der Minima poetica wie man mit Elementarteilchen die Gattung Lyrik neu zusammensetzt.

→ 2023 finden Sie über dieses Online-Magazin eine Betrachtung als eine Anthologie im Ganzen.