Zum Kuckuck sach ich mal

Quote

Deutsche Sprache = merkwürdige Sprache. Das merkt auch der Fernsehzuschauer immer öfter, wenn ihm eine anscheinend klare Sachlage als scheinbare Hängepartie verkauft wird. Weil es zwar nur scheinbar unmöglich ist, die beiden Begriffe zu unterscheiden, aber anscheinend weder bei den Privaten noch beim Öffentlich Rechtlichen auch nur eine Quote von 50 Prozent aller Versprecher, pardon: Sprecher, in der Lage ist, den kleinen, aber ungemein wichtigen Unterschied zu bemerken.

Ganz zu schweigen von den wunderbaren Füllseln, angefangen von ›äh‹ über ›hm‹ bis zum Modebanälchen ›ammm‹, Verlegenheitswörtchen, die nach dem Pfefferstreuerprinzip als Würze der klugen Gescheitheiten ausgestreut werden, damit der, der sich veräht oder verammt, nicht verrennt in den Weisheitsdschungeln der deutschen Sprache. Hat auch noch ein Sportler aktiv das Wort ergriffen, dann rette sich, wer kann. Der verblüffte Zuhörer wird mit Sätzchen konfrontiert, die ihm das Gehirnfett gerinnen lassen. Wie wär’s mit: ›Ja gut, äh, ich meine … – das heißt, im Grunde genommen, ammm, – ich sag mal so, äh… – eigentlich bin ich auf jeden Fall‹“ …

Weil das alles nicht genug ist, hat sich ein Begriff eingeschlichen, der dabei ist, alles auszumerzen, was der Zuschauer jemals über deutsche Sprache gelernt hat. Ich meine die Vernorddeutschung der Verben ›schauen‹ oder ›sehen‹. Denn, Hand aufs scheinbar gesunde Herz, wer ist heute noch ein Zuschauer? Nein, ginge es nach allen Moderatoren und Redakteuren des –›Ich-sach-mal‹-Morgenmagazins, dann wären es längst Zukucker. Nein, nicht –gucker. Kucker. Denn kucken ist die nordeutsche Verballhornung des umgangsprachlichen Guckens. Ich seh’s schon kommen, eines Tages tritt Franz Beckenbauer auf und beendet seine geistigen Ergüsse mit der Erkenntnis: »Kuck mer mal!«

© Jürgen Schmidt

Weiß der Schauschau – naja, gut, der Kuckuck –, wer diesen Sprachwurm eingeführt hat. Kaum hat man sich vom ›Kuck mal, mal kucken, kucken wir mal, jetzt kucken wir mal, wohin wir kucken‹ erholt, holt uns schon die neue norddeutsche sprachliche Erneuerungswelle ein: ›Jetzt mal Butter bei die Fische‹ hören wir mit geblähten Kiemen. Oder auch nur mal akuuuustisch vom Wettermoderator: ›Auf kaaaainen Fall schaaaaint die Sonne, es wüüüürd regnen!‹ Oh. Ügüttügütt! Oder wenn Fernsehsprecher von jenseits der Mainlinie über das Münchener Oktoberfest reden (möchten): ›Jetzt heißt es wieder oaaazopft iiiis.‹ Nein, so heißt es wüüürglich nicht, pardon: nischt, wie man neudeutsch jugendlich zu palavern pflegt. Liebe Zugereiste, Weitentfernte oder Weggerannte: Es ist ein ganz einfaches, hochdeutsches ›o‹ wie im Wort ›offen‹. Und ein kurzes (nein: nicht kuaazes, wie manche sagen), also ein kurzes ›a‹ wie in ›affengeil‹. Ozapft. Ohne Oaargegurgel.

Ich betrachte den Sprachverfall in den deutschen Medien mal kanzlermäßig. Sagte doch Angela Merkel vor so gar nicht langer Zeit zum Rücktritt von Bundespräsident Köhler: »Ich bedauere dies aufs Allerhärteste.« Jo, merkel Dir das. Der frühe Vogel wurmt die verkaterte Katze. Auf jeden Fall! Es sei denn, das ist ein No-Go und geht gaaaar nich. Oder so. Sach isch getz mal.

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Ein Porträt von Peter Ettl und der Edition Silver Horse finden Sie hier. – Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.