Baracke, nebenan Feierabend

 

Wenn es begann, waren wir

vollzählig. Die Erzählungen

über frühere Arbeitspausen

zu Arbeitsbeginn schlugen

immer wie Granaten ein.

Die Frühstückspausen revolutionierten Gefahr,

die Mittagspausen griffen realistisch an,

die Kaffeepausen am Nachmittag bombten alles Leben aus.

Sieh mich an, Lebenswille,

doch die frühdurchwachten Arbeitstage

begannen mit Leichen, bis wir uns, trauergewiß,

von Neuem die Pausen wiederbelebend mit

Kriegspausenspielen vertrieben.

 

2015 Mecklenburg-Vorpommern oder vielleicht doch irgendwo in amerikanischer Provinz? Wähle das fast stumme Standbild für die Obsessionen in Ein-Euro-Jobber-Brigaden: Fährst Du im Winter an der pommerschen Friedländer Großen Wiese über Land, fallen Dir hier und da zwischen kahlen Bäumen, entlang den Kanälen und an Feldrändern die verrotteten Bauwagen, in den Dörfern die alten Konsumbaracken  auf, umstellt von klapprigen Rädern und ein paar unbrauchbaren Arbeitsgeräten, Gelasse, aus denen kleine Rauchwölkchen gen Himmel ziehen. Da drinnen hocken 10 bis 12 Menschen, Frauen und Männer, ganz junge, ganz alte, rauchend, Kaffeebecher zwischen klammen Fingern, kaum miteinander redend. Ihre Geschichte ist alt  und unfrei und bleibt die von Geduckten, Niedergedrückten. Ab und an kreist ein Flachmann, ein Mädchen kichert leise, dann öffnet sich eine Tür, jemand greift in den Stapel  Brennholz neben der Tür. Pünktlich dreiviertel vier siehst Du sie im Trupp über Land steif und gerade in ihre Dörfer zurückradeln, leere Stullendosen im Zwiebelbeutel auf dem Gepäckträger, verschossene, verschlossene Gesichter, die sich ganz langsam ihren Behausungen nähern, letzter Rückzug in einer finsteren, halb leergezogenen Platte, auch dieser gefährdet. Für diese abgehängte Region  gibt es in den  modernen Fördermittelschmieden rasante Projekte zur „niederschwelligen Daseinsvorsorge“, die jenen zugute kommen, deren Bürosessel schon zu DDR-Zeiten beheizt war. Zum Beispiel bald schon ein 500 Hektar Großes Windanlagen-Areal (Höhe je 200 m) in der Friedländer Wiese, derzeit bevölkert von120.000 Brut-und Rastvögeln.

 

 

Weiterführend → 

Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd