Notiz letzte Woche

 

Gewalt gehört nun mal

zum Weltgeschehen dazu,

will man mehr als die Butter aufs Brot,

sagte Sophie.

Wenn ich denen sage

lasst die Waffen in Ruh,

nennt man mich

Mörderin. Denen ist Feind

oder Nichtfeind egal, die sind

nur mit Zahlen verbunden,

sagte Sophie, meine Nachbarin.

 

Meine Mutter hat ab 42 die Bunker gemieden.

Nicht länger wollte sie da

als Trümmertote und Mörderin enden:

ihr Kind zu lange ans Angstherz gepresst und erstickt.

Die Mutter hat mich im Dunkeln

auf den Rosenhügel im Garten geschoben,

ein geblümtes Tuch um den kahlen Schädel

gebunden und sich neben mich

auf den Boden gelegt.

Manchmal sang sie ganz leise ein Lied.

Sie war da.

 

Ein paar Bomben jagten als monströse

Sternschnuppen über uns hinweg.

Wusste ich das? Ich weiß es nicht.

 

Lebenslang blieb ihr Herzschlag

mein Paniksignal.

Wenn Lichtblicke sie anfliegen.

rechnet Sophies Gedächtnis

mit anschwellender Detonation,

die jede Zelle sprengt.

 

Sieben Jahre lang habe ich meine Mutter

Zwischen Bett und Bad

hin und her getragen,

sieben Jahre lang

das geblümte Tuch unters Kinn gebunden

bis zum letzten Tag.

 

Bevor sie ihr Gedächtnis verlor,

sprach sie von dem kleinen Hügel.

Schön war es,

sagte meine Mutter,

aber doch viel zu kurz,

unsere Körper,

so nah. Aber du bleibst da.

 

Jede Sternschnuppe ein Todesbote,

sagt Sophie.

 

 

 

Weiterführend → 

Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd