Möbel haufenweise

 

Den ganzen Nachmittag über hatte er auf der Suche nach einem geeigneten Möbelstück in diversen Möbelhäusern zugebracht. Natürlich gab es wie immer nur zwei Möglichkeiten, entweder die ausgesuchten Stücke sahen gut aus und waren unverschämt teuer oder man wollte sich nichts aussuchen, weil die Hässlichkeit den billigen Preis auf das Allzudeutlichste offenlegte. Einfach, schlicht und doch von guter Verarbeitung sollte es sein. Aus Holz, kein Imitat. Meist aber wurde der Korpus aus Pressspan gefertigt, meist fanden sich plastikverstärkte Scharniere oder Ähnliches. Gegen Abend gab Herr Nipp die Suche auf, es hatte keinen Sinn mehr. Als er auf die Straße trat, den herbstlichen Himmel sah, ärgerte er sich allerdings nur darüber, dass mal wieder keine Kamera zur Hand war. Ein völlig entspanntes, allerdings faszinierend von der Abendsonne angeleuchtetes Wolkenband hatte sich an den Horizont geschoben. Solche Motive konnte man wohl nur im Herbst finden. Auf dem Rückweg machte er in einer kleineren Stadt kurz an einem Sperrmüllhaufen halt und fand endlich die gewünschte Vitrine. Kirschholz und Glas.

 

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Unerhörte Möglichkeiten, von Herrn Nipp.  Edition Das Labor 2012

Dieser short-short ist Teil der Reihe, die KUNO anläßlich der 10-jährigen Erscheinens der Kurznovellen Unerhörte Möglichkeiten präsentiert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts muß man keinen Falken mehr verzehren, um novellistisch tätig zu sein. Dank des Kurznachrichtendienstes Twitter ist Mikroblogging eine auflebende Form. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle zu Twitteratur ein. Der Band mit den Kurznovellen ist kein Künstlerbuch. Was aber, wenn plötzlich Originalholzschnitte auf dem Deckblatt zu finden, die Ameisengleich über das Titelblatt krabbeln?

Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus als bibliophile Kostbarkeit: Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421