Zwischen Nichts und Nichts

 

Die Hineingehaltenheit meines Seins in das Nichts sehe ich vor mir, ich sehe mich in der Schwärze der Nacht, ich bin weiß und leuchte in die Nacht beim Öffnen der Raumtür, ich weiß nicht, tu ich das selber oder geschieht es mir, Hülle, Gefäß, durch das Baupläne hindurch fließen, die sich in unzähligen Variationen bilden, in unendlichen Zeiten, wo das Sein, ich habe keine Ahnung, was das ist, unmerklich verrutscht, ich bin vorübergehendes Resultat der Ursachen, die im Verwerfungsgeschiebe herausspringen, so ein Schub des Seins ist das, was mich bewirkt, Zerbröselung größerer Einheiten, Teilung und Aberteilung, fein gemahlen zwischen Materie und Antimaterie, klar, das merke ich nicht gleich, aber ich fülle mein Bewusstsein mit Welt, ich spüre mich immer genauer, reibe mich im Wind der Strukturen – erlebe das Hineinhalten meines Daseins in das Nichts, ich fühle es, es stimmt, ich bin, und was habe ich denn sonst, ich steh hineingehalten ins Nichts, fühle mich hingehalten, bis sich die Seiten verkehren, werde zum Nichts und um mich herum der Grund meiner Angst, der immer stabiler wird, mein Nest, meine Heimat, die ich nicht suchte, die mir geschenkt wird ohne mein Zutun, ganz einfach so, und wenn ich mich, so hineingehalten in das sich umstülpende Nichts, verwandle, dann – ich frage Sie, wenn Sie mich dann noch hören: Ist das wirklich die Transzendenz? Meine ganz eigene, nur mir gehörende Transzendenz, wenn ich mich selbst bestiegen habe ein Leben lang, bis ich oben angekommen bin bei mir und auf meinen Schultern stehe und in die Spalten des Nichts greife, ohne Seil und Netz, und bald über mir stehe und auf mich herabsehe, ist das meine Transzendenz?

 

 

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Gionos Lächeln, ein Fortsetzungsroman von Ulrich Bergmann, KUNO 2022

Vieles bleibt in Gionos Lächeln offen und in der Schwebe, Lücken tun sich auf und Leerstellen, man mag darin einen lyrischen Gestus erkennen. Das Alltägliche wird bei Ulrich Bergmann zum poetischen Ereignis, immer wieder gibt es Passagen, die das Wiederlesen und Nochmallesen lohnen. Poesie ist gerade dann, wenn man sie als Sprache der Wirklichkeit ernst nimmt, kein animistisches, vitalistisches Medium, sondern eine Verlebendigungsmaschine.

Weiterführend →

Eine liebevoll spöttische Einführung zu Gionos Lächeln von Holger Benkel. Er schreib auch zu den Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann einen Rezensionsessay. – Eine Einführung in Schlangegeschichten finden Sie hier.