TOD PER ANRUFBEANTWORTER

 

ich rufe jemanden per telefon an, dessen stimme mir per anrufbeantworter mitteilt, er sei gerade gestorben. daraufhin lege ich sofort auf. doch die verbindung läßt sich nicht abbrechen, weshalb ich das telefonat bis in alle ewigkeit bezahlen muß. ich überlege, ob ich meinen telefonstecker herausziehen soll. dabei wird mir aber bewußt, daß ich damit der seele des toten den strom entziehen und sie töten würde. so kann ich nur bitten: anderswelt, erlaß mir die gebühren.

 

 

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Traumnotate von Holger Benkel, KUNO, 2021

Radierung von Francisco de Goya

Die Frage nach der besonderen Kompetenz der Dichter für die Sprache und die Botschaft der Träume wurde durch Siegmund Freud fundamental neu gestellt. Im 21. Jahrhundert ist die Akzeptanz des Träumens und des Tagträumens weitaus größer als noch vor hundert Jahren. Träumen wird nicht mehr nur den Schamanen oder Dichter-Sehern, als bedeutsam zugemessen, sondern praktisch jedermann. Gleichwohl wird den Dichtern noch immer eine ‚eigene‘ Kompetenz auf dem Gebiet des Traums zugesprochen – Freud sah sie sogar als seine Gewährsmänner an, mit Modellanalysen versuchte er diese Kompetenz zu bestätigen. Die Traumnotate von Holger Benkel sind von übernächtigter, schillernd scharfkantiger Komplexität.

Weiterführend

In einem Kollegengespräch ergründeln Holger Benkel und A.J. Weigoni das Wesen der Poesie – und ihr allmähliches Verschwinden. Das erste Kollegengespräch zwischen Holger Benkel und Weigoni finden Sie hier.

Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013

Essays von Holger Benkel, Edition Das Labor 2014 – Einen Hinweis auf die in der Edition Das Labor erschienen Essays finden Sie hier. Auf KUNO porträtierte Holger Benkel die Brüder Grimm, Ulrich Bergmann, A.J. Weigoni, Uwe Albert, André Schinkel, Birgitt Lieberwirth und Sabine Kunz.

Seelenland, Gedichte von Holger Benkel , Edition Das Labor 2015