Bonn, La Fontana 6.9.

 

Lieber Arthur,

heute war ich sehr früh am Kaiserplatz, die Gelateria hatte gerade die Tische und Stühle unter den Kastanien aufgestellt, der Bücherkarren baute die Bücherkästen auf … aber Pirandello stand schon auf seinem Balkon und erwartete mich. „Signor Damonte“, rief er, „kennen Sie die Philosophie der Hühner? Ich las gerade Malerbas Buch über die philosophischen Hühner … sehr beachtlich, sehr beachtlich!“ – „Ich habe davon gehört“, sagte ich, „aber alles vergessen.“ – „Sehr gut!“, sagte Pirandello, „dann haben Sie die Philosophie begriffen.“ – „Das ist mir aber nicht bewusst“, sagte ich. – „Genau das ist ja der Punkt!“, rief er. – „Also eine Philosophie des Vergessens?“, fragte ich. – „Ja“, sagte Pirandello, „die vergessene Philosophie, das vergessene Philosophieren bewirkt die besten Erkenntnisse.“ – „Aha“, sagte ich, „also Philosophieren ohne Philosophie …?“ – „Ja, Signor Damonte, das ist es! Grüßen Sie mir Herrn Arthur recht herzlich!“ – Also, lieber Arthur, sei nun doppelt gegrüßt.

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

Weiterführend →

Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.