Bonn, Café Fürst, 6.6.

 

Lieber Herr Jo,

ich darf Sie doch so nennen? – Je suis désolé – heute ließ mich Pirandello im Stich, er zeigte sich nicht, und so ging ich in mein geliebtes Café Fürst beim Hauptportal meiner Alma Mater. Nun überlege ich, ob Pirandellos Abwesenheit etwas mit mir zu tun hat. Will er mir Zeit geben, über meine Existenz nachzudenken? ‚Werden Sie Ihr Autor!‘, rief er mir gestern zu. Soll ich mich erschaffen? Bin ich also noch gar nicht? Oder will er mir sagen, dass er da ist, auch wenn er abwesend ist? Na gut, das kann ich auch … Aber was soll das! Wissen Sie, was das soll? Dann sagen Sie es mir! In meiner gegenwärtigen Stimmung bin ich der Auffassung, dass ich lieber schweige, wenn ich nicht weiß, worüber ich spreche.

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

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Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.