Heldenplatz

Spontan-Morgengedicht zum österr. Nationalfeiertag

für den Dichterfreund Stephan Eibel Erzberg

 

da stehen sie nun aufgereiht

in ihrer feschen militärmontur

und sind bereit zum schwur

aufs kleine hehre vaterland

und in der menge steht

und sucht der schatz

den liebsten findet ihn

eiei wie der so salutiert

so stramm so ungeniert

die mama ist ganz stolz

auf ihren schwiegersohn

na wirklich s’ist kein hohn

der bundespräsident spricht

schöne worte sagt vaterland

sagt heimatland und staat

er spricht von dienst und pflicht

der herr minister (ober)klug

so elegant so smart so clever

ruft laut „das vaterland forever“!

und jeder in der reihe salutiert

die andern sind im feld krepiert

und andere die waren im KZ

(nein bitte keinen reim mit „nett“!)

wir repräsentieren heute sagt er

ein neues österreich die neue zeit

naja den´k ich: es ist wieder soweit …-

ein kleiner bub der schreit

mama ich muß pipi aufs klo

doch finden sie es nirgendwo

da macht er leider in die hose

die ist nun fleckig und ganz naß

ach ja am heldenplatz in wien

das war (doch damals auch)

ein riesenspaß man jubelte

dem führer zu der oben schrie

ich hol euch alle heim ins reich

der schuschnig vorher kleinlaut

im radio „Gott schütze Österreich!“

 

 

 

 

***

AUSKLANG Gedichte 2010-2020 von Peter Paul Wiplinger, Löcker Verlag, Wien 2020

Diese Gedichte sind wie alles, was Wiplinger schrieb, vollkommen aufrichtig. Kompromisslos. Spontan. Er hatte immer die Wirklichkeit im Sinn in ihrer Sachlichkeit. Er hat sich nie mit ästhetischen Metaphern aufgehalten. – Aber nun ist das Thema ein besonderes. Jetzt geht es um die „existenzielle Befindlichkeit‘ in ihrer unerbittlichen Form. Die Aufrichtigkeit ist tiefer, die Gefühle sind wärmer. In Knappheit und Reduktion tut sich eineDramatik auf, eine asketische Tragik. – Wiplinger lässt uns teilhaben an seinen Träumen und Erinnerungen, seinem Blick aus dem Krankenhausfenster im 21. Stockwerk des AKH nach einer schlimmen Diagnose. Aber sachlich heißt nicht ohne Tiefe, ohne Gefühl. Wir finden Verse auf die Schönheit des Lebens, auf den glücklichen Augenblick, auf die lautlose Stille des Unsagbaren. Und die klare, schlichte Sprache gibt den Versen die suggestive Kraft der Überzeugung. – Man sollte dieses Buch lesen. Es ist wichtig.

Elisabeth Schawerda

Weiterführend → Lesen Sie auch die Essays Über den Zustand der Liebe in lyrischen Texten und Poetik des Humanen über Peter Paul Wiplinger.
 Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.