Ein Meisterwerk des Trash

In einer optisch reichen, originellen und bizarren Bilderwelt angelegtes, vielschichtiges Science-Fiction-Märchen. Seine soziale, ökologische und religiöse Aussage verliert durch eine wirre Dramaturgie und die nicht immer konsequente Auflösung des literarischen Stoffes in Filmsprache an Tiefe und Sinnfälligkeit. Für Fantasy- und Science-Fiction-Freunde trotz einiger Längen von Interesse.
Lexikon des internationalen Films

Man kann dieses krude Elaborat als Roman nicht ernstnehmen, er spielt im elften Jahrtausend, ist ein unver­dau­li­cher Brei aus Pseudophilosophie, Reli­gi­ons­sur­ro­gaten und New-Age-Mytho­lo­gien, ökolo­gisch ange­haucht, von Führer­staat-Phan­ta­sien durchdrungen und die Hauptfigur entstammt einem Eugenikzuchtprogramm. Das Krümmen des Raumes ermöglicht der exzessive Konsum der Droge Spice und die Menschheit macht das, was sie im SF zu bewerksteeligen hat, sie besiedelt das Weltall, verfeindete Adelshäuser streiten um die Macht.

Ernsthaft, „Adelshäuser“?

David Lynch ist das wahrscheinlich bereits sehr früh aufgefallen, daher hat er einen psychodelischen Experimentalfilm draus gemacht und die Produktionskosten von 45 Millionen vor die Wand gefahren. Lynch strebte eine Filmlänge von drei bis dreieinhalb Stunden an, De Laurentiis kürzte auf zwei Stunden 17 Minuten. Durch Voice-over-Passagen versuchte man die entstandenen Logiklöcher zu stopfen, es entstand eine absurde Wirkung mit hohem Trashfaktor. Während Produzent Dino De Laurentiis sich einen Blockbuster nach Star-Wars-Manier erhofft hatte, schuf der einzige auteur im Mainstream  einen barock ausstaffierten Kunstfilm, beide Entwürfe wirken im Resultat wie Das Eismeer des Künstlers Caspar David Friedrich, es zeigt eine arktische Landschaft mit sich auftürmenden Eisschollen, unter denen auf der rechten Seite ein gekentertes Segelschiff begraben liegt. Hier sehen wir ein Raumschiff, daß vom Winde verweht wurde. Manchmal wirkt es so, als hätte er eine Parodie auf Lawrence von Arabien gedreht, es ist ein Meisterwerk des Trash, so schlecht, daß er schon wieder gut ist.

Man merkt der Vorlage an, daß sie aus den drogenaffizierten 1960er Jahren kommt.

Man weis nicht genau, wieviel Portionen Spice Frank Herbert geschnupft hat, jedenfalls ist die Handlung seiner Vorlage hinreichend schwachsinnig: Herzog Leto Atreides wird von Imperator Shaddam IV. mit dem Wüstenplaneten Arrakis belehnt. Einzig auf diesem öden Planeten existiert das „Spice“, das mit Hilfe von riesigen Erntemaschinen abgebaut wird. Das Spice ist eine bewußtseinserweiternde Droge, die den „Navigatoren“ der Gilde die interstellare Raumfahrt mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglicht und die eine alterungshemmende Wirkung hat.

Wieder ein Auserwählter, quasi ein Lawrence von Arrakis

Herzog Leto begibt sich zusammen mit seinem Sohn Paul und seiner Konkubine Jessica, die dem Frauenorden der Bene Gesserit angehört, von seinem Heimatplaneten Caladan nach Arrakis, um sein Lehen in Besitz zu nehmen. Der sadistische und entstellte Baron Vladimir Harkonnen, dessen Haus seit langem mit den Atreides verfeindet ist und zuvor 80 Jahre lang Arrakis zum Lehen hatte, beabsichtigt Leto und seine Familie zu vernichten und die Herrschaft über Arrakis zurückzugewinnen. Hierfür sichert er sich die Unterstützung des Imperators, der den wachsenden Einfluss Herzog Letos im Rat der Planeten sowie die immense Kampfkraft der Atreiden-Armee, begünstigt durch deren revolutionäre Schallwaffen, fürchtet. Harkonnen gelingt es, den Leibarzt Letos, Dr. Yueh, zum Verrat zu zwingen. Yueh sabotiert den Schutzschild der herzoglichen Burg und zerstört die Schallmodule, so dass die Burg der Atreiden dem Angriff Harkonnens wehrlos ausgesetzt ist. Die Harkonnen überrennen mit einer riesigen Armee die Verteidigung der Atreides auf Arrakis und bringen den Planeten wieder unter ihre Kontrolle. Wie schon sein Sohn Paul und seine Konkubine Jessica wird Herzog Leto von Yueh betäubt und so außer Gefecht gesetzt. Er setzt ihm jedoch einen künstlichen Giftgas-Zahn ein, mit dem er Baron Harkonnen, wenn dieser sich ihm nähert, töten soll. Als Leto dieses Vorhaben umsetzen will, verwechselt er, noch halb betäubt, den Baron mit dessen Berater Piter De Vries, so dass das Giftgas nur diesen tötet. Baron Harkonnen überlebt den Anschlag, Leto selbst stirbt.

Manchmal ist es nicht klar, ob wir uns auf Tatooine oder auf Arrakis befinden.

Obwohl der Invasionsplan des Barons Erfolg hatte und der Herzog tot ist, können Paul und Jessica, die ebenfalls von den Harkonnen gefangen genommen worden waren, in die Wildnis von Arrakis fliehen. Hierbei werden sie durch Vorkehrungen von Yueh begünstigt, der ihnen die für die Wüste erforderliche Ausrüstung mitgegeben hat. In ihrem Gepäck entdecken sie auch den Bauplan der Schallmodule und den Siegelring des Herzogs. Nachdem sie bei den rätselhaften Fremen, den Bewohnern der Wüste, ein neues Zuhause gefunden haben, wächst der junge Herzogssohn zu einem mächtigen Gegner für die Harkonnen und den Imperator heran. Er reitet den gigantischen Sandwurm Shai-Hulud, trinkt das „Wasser des Lebens“, für einen gewöhnlichen Menschen tödlich, erlangt dadurch absolute Erkenntnis, die Macht über die Sandwürmer und das Spice, er wird danach von den Fremen als Anführer anerkannt. Als Fremen-Namen wählt er Paul Muad’Dib.

Denn vierzig Tage und Nächte war Jesus in der Wüste, bevor er sich aufgemacht hat.

Paul Atreides und seine Mutter unterrichten die Fremen in den Künsten der Bene Gesserit, trainieren sie im Umgang mit den Schallmodulen und bauen sie so zu einer kampfstarken Armee aus. Mit Überraschungsangriffen und Anschlägen auf die Erntemaschinen für die Spice-Gewinnung bringen sie die Spice-Produktion zum Erliegen und setzen damit die Harkonnen und den Imperator unter Druck. Nebenbei erfährt Paul, dass der Baron Harkonnen sein leiblicher Großvater ist, der Vater von Jessica (bisher hatten die Bene Gesserit dem Baron allerdings verschwiegen, dass er ein Kind hatte).

Ein Akt von Staatsterrorismus?

Die Gilde verlangt vom Imperator, die Kontrolle über die Spice-Produktion zurückzugewinnen, andernfalls müsse er mit ernsten Konsequenzen rechnen. Der Imperator ruft die großen Häuser auf Arrakis zusammen, um die Wiedergewinnung der Kontrolle über die Spice-Produktion zu organisieren. In diesem Moment bläst Paul Muad’Dib, der mittlerweile als der langerwartete Fremen-Messias Kwisatz Haderach gilt, zum Angriff: Mit Dutzenden von Sandwürmern erstürmt er die Hauptstadt Arrakeen. Seine übernatürlich begabte kleine Schwester Alia dringt zu ihrem Großvater, dem Baron Harkonnen, vor und reißt ihm die Steuerungskabel aus der Brust, über die er seinen Anti-Gravitationsgürtel bedient. Unkontrolliert fliegt der Baron aus dem Raum, direkt in den Rachen eines der Sandwürmer.

Feyd Harkonnen, grandios fehlbesetzt mit dem Popstar Sting

Paul setzt den Imperator fest und fordert mit Unterstützung der Fremen den Thron. Nach einem siegreichen Duell mit Feyd Harkonnen, dem niederträchtigen Neffen des Barons, legen die Fremen ihm den Mantel der Herrschaft an. Paul, der – wie seine Schwester Alia richtig erkannt hat – wirklich der gottgleiche Kwisatz Haderach ist, lässt unter den erstaunten Augen aller Anwesenden ein Wunder geschehen: Gewitterwolken ziehen sich am Himmel über dem Wüstenplaneten zusammen, und strömender Regen setzt ein.

Insofern sagt ‚Der Wüsten­planet‘ zwar nichts über die Zukunft, aber alles über die gegen­wär­tige Verfas­sung der Film­in­dus­trie.
Bodo Fründt

Allein vom Lesen dieser Handlung fühlt man sich, als hätte man mit Baron Harkonnen in der Cantina von Tatooine eine Kiste Weizenbier geleert (die Lokalrunde geht übrigens an Georg Lucas). Man beginnt zu schweben, als hätte man sich zugleich dem Spice ausgesetzt. Nüchtern ist die Romanvorlage von Frank Herbert nicht zu ertragen.

 

 

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Dune, Regisseur David Lynch, USA 1984

KUNO hat ein Faible für Trash. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Daher sei sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso eindrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Ebenso verwiesen sei auf Trash-Lyrik.