Eine Erinnerung an Tschingis Aitmatow

 

Mit ihm war ich 1998 bei einer internationalen Konferenz in Trenčianske Teplice/Slowakei zusammen. Wir hielten beide ein Referat. Nach meinem umarmte er mich beim anschließenden Essen, schüttelte mich kräftig, bestellte von seinen Begleitern zwei halbvolle Trinkgläser Wodka, wir prosteten einander zu, wobei er immerzu laut „Karacho, Karacho, Kollega Wiplinger!“ sagte. Einmal gingen wir Tagungsteilnehmer alle miteinander, Männlein wie Weiblein, ins alte Thermalbad von Trenčianske Teplice. Wir waren aber nicht in einem Badekostüm, sondern alle bekamen einen weißen Kittel, mit dem man dann ins Wasser ging. Es war eine völlig skurrile Szenerie und ein Erlebnis, wie es sicher noch niemand von uns gehabt hatte. Vielleicht war es manchen Frauen ein wenig peinlich, so vor uns Männern zu stehen und im Wasser zu planschen. Aber das war bald vorbei und wir benahmen uns alle wie die Kinder. Ich erinnere mich noch gut daran, wie das Ganze den Tschingis Aitmatow amüsierte und er darüber in lautes Lachen ausbrach. Auch er planschte dann, als damals schon älterer Herr, wie ein kleines Kind herum. Es war ein lustiges Erlebnis, das wir gemeinsam hatten und das uns emotional verband. Jedenfalls klopfte mir Aitmatow immer wieder auf die Schultern und rief – absurderweise – „Towarisch Amigo!“ Als ich dann später meinen 2. Gedichtband in Russisch – „Totschki Peresetschenija“ – in Moskau publizierte, schrieb ich an Aitmatow nach Brüssel, wo er nun Kirgisischer Botschafter war, und fragte ihn, ob er bereit wäre, ein kurzes Vorwort für dieses Buch zu verfassen. Selbstverständlich schickte ich ihm die Gedichte in Russisch mit und schon wenige Tage später erhielt ich per Post ein mich sehr ehrendes und lobendes Vorwort. Ich bedankte mich, zunächst mit einem kurzen Antwortschreiben und dann mit der Übersendung eines Buchexemplares. Wenn ich die Fotos, die ich von Tschingis Aitmatow in Trenčianske Teplice gemacht habe, anschaue, dann sehe ich ihn genau so vor mir, wie ich es hier beschrieben habe – mit einem herzlichen Lachen im Gesicht.

 

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Schriftstellerbegegnungen 1960-2010 von Peter Paul Wiplinger, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010

Tschingis Aitmatow, Photo: Peter Paul Wiplinger

Weiterführend → KUNO schätzt dieses Geflecht aus Perspektiven und Eindrücken. Weitere Auskünfte gibt der Autor im Epilog zu den Schriftstellerbegegnungen.
Die Kulturnotizen (KUNO) setzen die Reihe Kollegengespräche in loser Folge ab 2011 fort. So z.B. mit dem vertiefenden Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier. Druck und Papier, manche Traditionen gehen eben nicht verloren.