Fragen der Erkenntnis und ihre sprachliche Repräsentation

Gedichte zu schreiben war für A.J. Weigoni eine Mischung aus Bewußtsein und Intuition. Der Füllfederhalter wurde zur Verlängerung des Denkens.

Wie wir einem Kollegengespräch entnehmen, hat eine frühe Erfahrung den Lyriker Weigoni – im wahrsten Sinne des Wortes – geprägt, sein erstes taugliches Gedicht hat er mit beweglichen Lettern selbst gesetzt und gedruckt. Die Auseinandersetzung mit dem Erfinder des modernen Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern und der Druckerpresse, Johannes Gutenberg, hat sich im ´digitalen Setzkasten` fortgesetzt. Die typografische Kalkulation zeigt in der Werkausgabe eine Entschleunigung an, die Buchstaben ä ö ü sucht man vergeblich. Da man das Schriftbild schnell erfassen kann, sollte man die Lesegeschwindigkeit von Gedichten verlangsamen. Als miteinbezogene Schreibweisen sind das œ ist dem französischen entliehen, das æ dem skandinavischen migriert. Der Computerkünstler Georg von der Gathen hat mit einer einer modifizierten Garamond eine neue Ligatur gestaltet, die das ue zu einem Buchstaben zusammenzieht. Diese Lyrik wird vom syngraphematischen Instrumentarium, dem verfügbaren Arsenal an nichtalphabetischen Zeichen, affiziert und erweitert um autochthone Denk-, Ausdrucks-, Artikulations- und Gestaltungsmöglichkeiten.

Jedes Wort steht da wie ein Kristall, durchsichtig, klar, scharf, hart und schön.

Die menschliche Stimme war ein unfehlbarer Indikator psychischer Merkmale und ein wichtiger Orientierungspunkt für Weigonis‘ lyrisches Schreiben. Worte allein bilden das Sprechen nicht ab, es konstituiert sich eine eigene Ordnung, Logik und Möglichkeitspalette – mit weitgehenden, aber weithin übersehenen Rückwirkungen auf die Spreche, auf Begriff und Gebrauch der Sprache. Auch die flatterhafte Präsentation eines Gedichts sucht man vergeblich, jedes Gedicht beginnt rechts oben und endet am unteren Rand des Satzspiegels. Was die Fläche einer Seite bedeckt und Raum einnimmt, kann tonlos, lautlos, stimmlos sein, aber nicht gänzlich körperlos. Man mag dies als Exzentrik verspotten, doch diese Form des Manierismus zeichnet sich durch Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten zur Gestaltung aus, die ausschließlich dazu dient, den eigenen Stil hervorzuheben.

 

 

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Gedichte, Hörbuch (als Do-CD) von A.J. Weigoni, 2005

Weiterführend → Jeder Band aus dem Schuber von A.J. Weigoni ist ein Sammlerobjekt. Und jedes Titelbild ein Kunstwerk. KUNO faßt die Stimmen zu dieser verlegerischen Großtat zusammen. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt.  

Hörbproben → Probehören kann man Auszüge der Schmauchspuren, von An der Neige und des Monodrams Señora Nada in der Reihe MetaPhon. Zuletzt bei KUNO, eine Polemik von A.J. Weigoni über den Sinn einer Lesung.