Bei all der Silvesterbegeisterung, den Krachern und all den innigen Umarmungen sollte man eines nicht grundsätzlich verdrängen. Hier ist der allgemeine Hang zur Nörgelei gemeint. Über absolut alles gibt es etwas zu meckern. Ja, auch über die Lautstärke der Chinaböller, die entweder zu leise oder viel zu laut daherkamen. Die Höhe der Raketenflüge und wie klein doch die Fontänen waren. Gut, insgesamt sollte man sich nicht allzu sehr beschweren, war doch das Feuerwerk als Ganzes durchaus in Ordnung. Außerdem hatte er wirklich seinen Spaß gehabt, auch wenn die handgerollte Zigarre aus der Dominikanischen Republik zum Zünden ihn fast umgehauen hätte.
Ja, auch das Essen hatte Herrn Nipp nicht nur durchaus geschmeckt, kein Haar in der Suppe zu finden. Nach über drei Stunden Gevölle paste in keine Ecke mehr irgendetwas. Die vielen Köstlichkeiten mundeten. Da standen auch selbst geröstete süße und salzige Mandeln auf den Tischen, Saltimbocca (hoffentlich wird das so geschrieben), Hackfleischbällchen, die verdächtig nach Knoblauch rochen und himmlich schmeckten. Rohkostsalat mit einer unglaublichen Tunke aus Blauschimmelkäse, Crème fraîche und Walnüssen, selbstgebackene Nussbrote, eine leckere kalte Kartoffelpaste, mit Käse und Hack überbackene Baguettes, mächtiges Kartoffelgratin, Nudelsalat nicht zu vergessen. Die Buffettische hatten sich gebogen, alles hier aufzuzählen wäre fast unmöglich. Eine Vorspeise aus geräucherter Forelle mit Dill hatte gleich zwei Mal den Weg zu ihm gefunden. Jeder hatte seine besten Rezepte herausgekramt und alles gegeben. Dazu lecker trockener Wein aus den südlichen Gebieten Europas.
Gegen 0 Uhr hatte jemand eine Magnumflasche feinsten Chardonnay-Sekts aus dem Kühlschank geholt, die schnell geleert war. Überblick über die verschiedenen Stadtteile aus riesigen Panoramafenstern. Die Stimmung wie immer ganz gemütlich und gut. Viele Gespräche und überall Kinder, die durch alle Ecken krabbeln (naja, dafür waren sie eigentlich schon zu alt). Das anschließende Knallen mit einem kleinen Zwischenfall, weil die Hecke brannte. Sonst gab es nichts auszusetzen. Gegen drei dann auf dem Heimweg, immerhin gut 300 Meter, meint der Begleiter: ”Sollen wir nicht lieber ein Taxi nehmen?”
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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019
Weiterführend → Zu einem begehrten Sammlerstück hat sich die Totholzausgabe von Herrn Nipps Die Angst perfekter Schwiegersöhne entwickelt. Außerdem belegt sein Taschenbuch Unerhörte Möglichkeiten, daß man keinen Falken mehr verzehren muss, um novellistisch tätig zu sein. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle konsequent zu Twitteratur ein. Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus die bibliophile Kostbarkeit Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp. Begleitendes zur Veröffentlichung des Buches Fatale Wirkungen, von Herrn Nipp (Mit Fotos von Stephanie Neuhaus). Über die historische Aufgabe von Herrn Nipp aus Möppelheim.
Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.
Diese bibliophile Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421