Eine Erinnerung an Hilde Spiel

 

Bei einer der PEN-Konferenzen im slowenischen Bled war es, daß Frau Dr. Hilde Spiel mir aus der Verlegenheit half. Am Ende der Tagung war nämlich jedes Mal sowohl ein kleiner Ausflug in die Umgebung mit einem „Picknick“ als auch am Abend vorher auf der Burg von Bled, hoch über dem Ort und dem See auf einem Felsen gelegen, ein internationaler AutorInnen-Leseabend, der in Slowenisch und Englisch von Alenka Puhar und anderen moderiert wurde. Die SchriftstellerInnen lasen je ein Gedicht in ihrer Sprache und dann auch auf Englisch, damit auch die anderen Teilnehmer etwas verstehen konnten. Ich wollte mein Gedicht „Literarisches Programm“ zum Gedenken an meinen kurz zuvor verstorbenem kärntnerslowenischen Dichterfreund Valentin Polansek vortragen. Anja Ursic, die „treue Seele“ und Sekretärin des Slowenischen PEN hatte es schon ins Slowenische übersetzt, in Englisch hatte ich jedoch noch keine Übersetzung. Also, wer könnte das machen, dachte ich mir. Und da fiel mir unsere PEN-Kollegin Hilde Spiel ein, die auch mit uns bei dieser PEN-Tagung in Bled war. Nach dem Empfang beim Staatspräsidenten Kucan in der ehemaligen Königs- und dann Tito-Villa am See, wandte ich mich, als wir den kurzen Weg vom Busparkplatz zum Parkhotel gingen, an sie und ersuchte sie, ob sie so liebenswürdig sein könne, diese paar Zeilen ins Englische zu übersetzen. Sie hatte ja die Jahre ihrer Emigration während der Nazizeit in London im Exil gelebt und sowohl als Korrespondentin wie auch als Übersetzerin gearbeitet. Ihre ansonsten vornehme Unnahbarkeit, die ich als solche empfand, wich sogleich einer kollegialen Freundlichkeit. „Selbstverständlich werde ich das gerne tun“, sagte sie zu mir. „Geben Sie mir bitte das Gedicht beim Abendessen!“ Und das tat ich auch. Ich gab ihr das auf einem Zettel handgeschriebene Gedicht, sie übersetzte es ins Englische, und Alenka Puhar las es dann auf meine Bitte hin auf Englisch am Leseabend vor. Ich sagte auch noch ein paar Worte dazu, die sie übersetzte; nämlich daß dieses mein Gedicht ein Zeichen des Gedenkens an unseren verstorbenen Kollegen und meinen Freund Valentin Polansek sei, mit dem ich zusammen einige Male an einer solchen PEN-Tagung in Bled teilgenommen hatte. Soweit ich es empfand, waren die KollegInnen sowohl vom Gedicht als auch von der Art, meines toten Kollegen und Freundes auf solche Art zu gedenken, innerlich berührt; jedenfalls sagten mir das einige. Und noch heute bin ich der Frau Dr. Hilde Spiel, zu der ich dann nie mehr einen Kontakt hatte, sowohl für Ihre Übersetzerarbeit, als auch für die Freundlichkeit bei dieser Begegnung, die nichts Herablassendes an sich hatte, dankbar.

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Schriftstellerbegegnungen 1960-2010 von Peter Paul Wiplinger, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010

Wiplinger Peter Paul 2013, Photo: Margit Hahn

Weiterführend → KUNO schätzt dieses Geflecht aus Perspektiven und Eindrücken. Weitere Auskünfte gibt der Autor im Epilog zu den Schriftstellerbegegnungen.
Die Kulturnotizen (KUNO) setzen die Reihe Kollegengespräche in loser Folge ab 2011 fort. So z.B. mit dem vertiefenden Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier. Druck und Papier, manche Traditionen gehen eben nicht verloren.