Autor: Otfried Krzyzanowski

MELANCHOLIE

  Ein nacktes Jungfräulein hängt An einem Galgen: das Blut, das von Mund und Nase Und sonst herunter geflossen, bildet im Rasen Eine rote Lache, die mählich schwarz gerinnt So wie das Blut der lehmigen Pfützen umher Mit der sterbenden…

Gegen die Müßiggänger

  Ich habe zwar gedichtet und gelernt, weiß aber recht wohl: Arbeit ist das nicht zu nennen. Die Wahrheit ist, ich mache gar nichts und Nichtstun ist eine große Plage. Wie wenige halten das aus!       Vor 100…

SPÄT NACHTS

  Woher dein Licht, entlaubter Hain? Du schimmerst in tiefem Blau. Wie Adern sind Deine Äste. Ist’s von der Stadt: der Widerschein? Ich kam dorther. Die Nacht war trüb und die Gassen Klangen vom Regen: beim matten Glanz der Laternen…

WERBUNG

  Durch Hoffen und durch Warten wird Der Sinn gemein. Du Holde! Frag nicht lang! Will dich befrein. Auf junge Blüten fällt Nacht: nicht so wunderbar, Wie gegen deinen Hals Dämmert dein Haar. Dein Auge fragt: Mein Wort Klang fremd:…

UNLUST

  Die Begierde hat sich schlafen gelegt, Es bleibt das Fieber. Der köstliche Mut der Entsagung Er wäre mir heute gegeben. Die Liebe aus. Was ich liebte, gelöst Die weiblichsten Glieder Versagend an meiner Ermattung, Ich sehe sie über mir…

ERFÜLLUNG

  Was tun? Du Ranke! Danken! Dir und der Stunde danken. Das Glück gibt Demut: Fleisch und Brot Und Wein — und Tod! Als hätte ich Sehnsucht gelitten, Machst du mich traurig. O Gott, die traute Stunde Verrät mir, wie…

ABEND

  Wenn der Abend uns bezwingt Und die Klage in uns singt: Fühlst der bangen Seele Flug, Weißer Mädchen Atemzug. Fremd ist Friede, fremd der Streit, Wann entrinnen wir der Zeit? Und kein Alter macht uns klug: Fühlst der Seele…

FRAGE

  Ist deine Liebe wie eine Herde von Wölfen! Lautlos rennt sie durch die endlose Steppe; Ihnen heißt der Himmel, der endlos grau Über den Wütigen hängt, ihr Hunger. Oder lauerst du auf Beute: Im Geröll als Natter verborgen? Wer…

PHANTASIA DESPERANS

  Anmutig, leicht, lebendig! Einsam auf schneebedecktem Feld: Doch ist der Hunderthändig Meines Gedichtes Held. Der Hunderthändig ohne Kopf! Doch spielt er mit — einem Schädel. Macht ihm aus welkem Gras einen Schopf, Gelb wie der welke Nebel. Was gilt…