HORCH AUF DIE TROMMEL BRUDER

 

Kennst du den klang

und den gesang

aus flötenkehlen

die pausen der dommel*

Du kannst nicht fehlen bruder

 

Kennst du die schwarzen stiere

bruder

nachts unterm mond

die frauen in dunklen zelten

Kennst du die grausen augen der kelten

nackt vom wind

weltengewohnt

wie mistel und miere*

Kennst du sie bruder

 

Die pane kennst du

und die nymphen

die sich paaren

im dunst arkadischer quellen

zwischen den weidenstümpfen

lebende mit ihren laren*

nebelfleischen

Bruder hörst du sie kreischen

 

Hör auf die rufe bruder

die rufe hör

die übern fluß gehen

und in die wüste

geröhr und hufe

und hör auch die stillen libellen

die überm fluß stehn

die mich fanden im netz der spinne

Hast du die sinne

bruder dafür

 

 

Horch an den quellen

Horch an der wolkentür

Bilder ins licht gesät

regengericht und spät

trau dem gespür

Du stehst noch immer im sold

bruder

der kugel die sich hohen schwungs bewegt

den rücken auf die bahn gelegt

und nie verrollt

 

 

***

 

Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2018

HEL ist bekannt als Herausgeber neuer Talente im „literarischen Underground“ und Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.

 

Anmerkungen:

dommel = „rohr-, vogelart“

miere = „vogel-, pflanzenart, eßbar“

laren = „altitalische hausgötter“