FÜR DIE ZIGEUNER IN HILDESHEIM

 

du siebensaite schnurre deine klage

du tamburin das deren habgier blechte

die kinder sind die sterne unsrer tage

die kessel sind die sonnen unsrer nächte

 

die hufabdrücke die das wasser halten

beweint der mond   verschwunden sind die pferde

im fell die seufzer die der sonne galten

und unsre füße bluten in die erde

 

das wasser stinkt verdorben sind die pässe

wann taucht sie auf die ahnin Kali Sarah

o siebzigwörterschoß   nie losch die esse

und mit den hunden leben die Lovara*

 

du freier rom der erde nie verletzte

dort werden nicht zigeunerstöcke drohen

kein brief der euch inn stall des rauches hetzte

die gadje* sind den pferden nach geflohen

 

die faulen häuser werden sich bewegen

die große straße singend überschwemmen

gott wird die schulter in die speichen legen

sie aus dem schlamm zum blauen kammweg stemmen

 

***

 

Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2018

HEL ist bekannt als Herausgeber neuer Talente im „literarischen Underground“ und Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.

Anmerkung:

Lovara = „zigeunerstamm, berühmt als pferdezüchter“

gadje = „zigeunersprache: fremde, ganz andere menschen, nicht-zigeuner“ [vgl. jidd. gojim = Nicht-Juden]

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