Bonn, La Fontana 25.8.

 

Cher Monsieur,

heute bestellte ich zum Cafè eine Kugel Pistazien-Eis, schlug das Reclamheftchen auf, das ich im Offenen Bücherschrank in der Poppelsdorfer Allee fand – und schon stand Er wieder auf dem Balkon, ich sah’s aus dem Augenwinkel. „Was lesen Sie denn da, Signor Damonte?“ – „Ach, nichts Besonderes“, sagte ich, „Ionesco … ich blättere nur … Die kahle Sängerin …“ – „Von vorne nach hinten oder von hinten nach vorn?“ – „Sowohl als auch“, sagte ich. – „Und wie finden Sie sie?“ – „Wen?“ – „Die kahle Sängerin …“ – „Ach so“, sagte ich, „sie ist nicht da, sie ist dort.“ – „Wo ist dort?“ – „Ich weiß nicht, danach blättere ich ja. An einer Stelle heißt es, sie kämmt sich jeden Tag die gleiche Frisur.“ – „Parbleu! Aber das bringt uns nicht weiter“, sagte Pirandello. – „Darum geht es nicht“, sagte ich. – „Worum geht es dann?“, fragte er. – „Es geht um die Suche nach dem Autor“, sagte ich. – „Wie soll ich das verstehen?“, fragte Pirandello. – „Das fragen Sie, ausgerechnet Sie?“ – „Wer sonst, wenn nicht ich?“ – „Es geht um uns“, sagte ich, „es geht immer nur um uns … wir sind die wahren Autoren, Sie und ich.“ – „Damonte“, sagte Pirandello, „langsam verstehen wir uns immer besser.“

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

Weiterführend →

Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.