Bonn, La Fontana 24.8.

 

Lieber Stefan,

der albanische Kellner stellt den Espresso auf den Tisch, ich sage: „Faleminderit“ – das heißt Dankeschön, er lächelt und geht, ich setze das Tässchen an die Lippen und will den ersten Schluck nehmen, da tritt Pirandello auf seinen Balkon und singt: „Uniamoci, amiamoci, l’unione e l’amore rivelano ai popoli le vie del Signore … Ah! Signor Damonte … Buongiorno!“ Ich verschlucke mich, lauthals lachend fällt mir die Tasse aus der Hand und prallt auf den Tisch. „Oh, Signore“, sagt Pirandello im Ton des Bedauerns, „nun haben Sie wohl Flecken auf Ihrem Hemd …“ – „Ich sehe an mir herunter, entdecke so gut wie nichts: „Ach was, das sind wohl nur Lichtvorwölbungen …“ – „Wirklich?“ – „Oder Texturfehler“, sage ich. – „Wie bitte?“ – „Vielleicht eine Faltenirritation … so etwas wie die kleine Schwester der Fata Morgana …“ – „Sie sind ja ein Philosoph!“ – „Ansichtssache“, sage ich, „alles Ansichtssache.“

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

Weiterführend →

Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.