Bonn, Café Fürst 23.8. p. m.

 

Lieber Herr Jo,

eben noch blendete mich die Sonne, mir wurde heiß, und ich setzte mich an einen anderen Tisch unter die Kastanien, da fing es an zu nieseln, ich saß noch eine Weile im Trocknen, die Blätter über mir schützten mich, der Regenbogen summte seine Farbenmelodie, aber dann schüttete es aus den immer schwärzer werdenden Wolken, Wind kam auf, leises Donnergrollen von fern – und ich schaute zum Balkon, hinauf zu Zeus, da stand er, einen roten Regenschirm aufgespannt, mein Pirandello, und rief mir etwas zu, ich verstand kein Wort, auf seinen Lippen zeichnete sich ein elegischer Ausruf ab, potzblitz!, oder Donner und Doria!, dann tropfte das Wasser von den tausend Händen der Kastanie mir ins Gesicht, und mich fröstelte beim letzten Schluck aus dem Espressotässchen – und doch, mein Glück war unbezahlbar.

 

 

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Pirandello-Geschichten, von Ulrich Bergmann + Selbstporträts, Damonte, Bonn 2021

Weimar ist nicht Bonn

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Auch in seinem Projekt Pirandellos nutzt Ulrich Bergmann das Postkartenformat. Mit seinen „Correspondenzkarten“ verschafft er den Lesern das Vergnügen von spezieller Twitteratur. Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.