CHI VIENE D’AL MARE CI VUOLE DERUBARE

 

Du bist hirt in Supramonte

bist nicht schaf in Supramonte

zwei gebote achte

nie den abgrund tiefzustieren

nie ’n patron zu respektieren

daß der dich nicht schlachte

 

Du bist hirt in Urzulei

bist nicht schaf in Urzulei

und dem weidenpächter

zahlst du 7 000 lire

kriegst du 7 000 lire?

das sind unsre schächter

 

Du bist hirt in Gennargentu

bist nicht schaf in Gennargentu

niemals darfst du schlafen

Rom pro schaf zahlt 50 lire

einsam melkst du 50 lire

2 millionen schafen

 

Du bist hirt in Monte Mauro

bist nicht schaf in Monte Mauro

So versteintes leiden

kreist im schwarzen blut der sarden

ihrer pfeifer  ihrer barden

Immer geht ’s um weiden

 

Du bist hirte in Dorgali

bist nicht lämmchen in Dorgali

pachtarm fleischarm erdarm

Wasser die die feindschaft tragen

Nur die tiefe der Nuraghen

lähmt des feindes schwertarm

 

Du bist hirt in Cantoniera

bist nicht schaf in Cantoniera

und es schweigt die zeder

Pächter gibt es zum entführen

was mit worten daran rühren

richter weiß es – jeder

 

war ich hirte in Barbagia

war nicht schäfchen in Barbagia

nie zu kreuze kriechen

geh im rock zur zitadelle

wer von see kommt stiehlt die schwelle

seit phönikern griechen

 

Agha Khans smaragdne küste

petrodollar  hochgerüste

wucherische pachtgesetze

armut  hunger  frost und krätze

frau die wartet 30 winter

vor der mauer – mann dahinter

 

jede mutter  jede sardin

zäh wie dornbusch – leopardin

und sie nennen uns banditen

nennen strafbar unsre riten

Wir sind hirten in der macchia

sind nicht schäfchen in der macchia

steinernen revieren

   Siehe Ralph Giordano

   An den Brandherden der Welt

   s 297 ff

 

***

Zeitgefährten von HEL, KUNO 2017

Die Zeitgefährten sind zwischen 1977 – 2008 entstanden, es sind Gedichte für Einzelne, Kopf-, Brust- und Kniestücke, Porträts von Freunden, Kollegen, gereimte Rezensionen, Liebesgedichte, Minnesang und Totenreden, aus 33 Jahren und 7 Städten. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.