Aus Arthurs Tagebuch:

 

Nacht.

Schon wieder das Auto kaputt, ausgerechnet auf dem Weg zum Kino, die verdammte Schrottkiste, die ich liebe, weil sie mir ähnelt.

Ich vermute Getriebeschaden, irreparabel.

Kein Kino also. Ich suche ja den vorzeitigen Abend, um der Hölle der anderen zu entkommen, weil die eigene besser wärmt. Gut, dass es mich gibt, denke ich dann, in der Hölle der anderen erfriere ich. Indem meine Phantasie mit dem Licht der Leinwand abbrennt, lebe ich erst. Indem ich Teil der Kunst werde, bin ich befreit von den Dingen, und für eine Weile vergisst mich sogar mein Körper.

Aber ich hasse die Nacht, ich ersticke in meiner Hölle, ich kann nicht selber Arie und Orchester, Bühne und Film, Ton und Farbe sein. Mein Körper lärmt.

Ich sehe mich immer mehr in anderen, die anderen in mir, und ich treffe mich nicht mehr mit mir, sodass ich mich verliere. Das macht mich müde, aber ich kann nicht schlafen, wie ich auch nicht wach werde um zu leben.

Ich hasse die Nacht, weil sie mir alle Termine stiehlt bis auf den einen, den ich weder vereinbaren noch absagen kann.

 

 

***

Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann. KUNO 2017.

Als intensiver Beobachter verfügt Ulrich Bergmann über die Begabung, noch die alltäglichsten Details in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, um etwas über das Leben und die menschlichen Beziehungen zu erzählen. Er nennt seine Kurzprosa ironisch „gedankenmusikalische Polaroidbilder zur Illustration einer heimlichen Poetik des Dialogs“. Wir präsentieren in diesem Jahr auf KUNO alle Arthurgeschichten und warnen Sie: Ähnlichkeiten mit Lebenden oder Toten oder lebenden Toten sind zufällig, rein zufällig, absichtlich zufällig, zufällig absichtlich, rein absichtlich und nichts als die reine Absicht.

Weiterführend → Lesen Sie zu den Arthurgeschichten den Essay von Holger Benkel. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.