Teile und herrsche!

Hast du Schlange zähmen können?, frage ich mich. Schlange sagte oft zu mir: Es ist gut, wenn ich dich lenke, dann kannst du dich besser entscheiden. Befreite sie dich von deiner Unsicherheit? Ich weiß nicht, ob sie mich befreit hat um mich besser zu beherrschen. Haben wir uns geliebt? In der Distanz liebten wir uns, Nähe führte zwangsläufig zum Kampf um alles oder nichts. Wer siegte, du oder Schlange? Das kann man so nicht sagen, denn jeder Sieg war zugleich eine Niederlage. Für mich war es günstiger zu unterliegen, denn nur in der Niederlage konnte ich gewinnen. Dann hat sie dir also manchmal auch ihr Herz geschenkt? Vielleicht, sage ich mir. Auf jeden Fall konnte sie als Siegerin immer leichter den Gewinn mit mir teilen als umgekehrt. 

 

***

Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016

In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.

Further reading →

Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.