Tempora mutantur

Ich weiß nicht, ob ich dich immer noch so liebe wie damals am Anfang, sage ich, als ich mit Schlange in der Staatsoper war. – Wie bitte?, sagt Schlange. – Es ist jetzt tiefer geworden. – Ach so, sagt Schlange, ich bin nicht mehr das Objekt deiner obskuren Begierde … – Schlange, sage ich, es hat sich verwandelt, die neue Tiefe wiegt die alte Höhe auf. – Ah, sagt Schlange, da unten wird dir die Luft zu dünn … – Schlange, es geht ums Netto, die Tiefe ist jetzt die neue Höhe. – Brutto ist mir lieber, sagt Schlange. – Du wirst immer anspruchsvoller, sage ich. – Tja, sagt Schlange, das ist der neue Reiz.

 

***

Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016

In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.

Weiterführend →

Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.