Hinauszögerlich

 

Zunächst hatte Herr Nipp sich wieder einmal in aller Ruhe sein Essen gekocht. Hatte als Sattmacher leckeren Jasminreis in den Topf gegeben und vor dem eigentlichen Kochen in Wasser diesen in Öl glasig angedünstet. Für ihn war das Gefühl wichtig, dass man mit bestimmten Ritualen erstens die eigene Lust auf das Kochen und damit das Essen steigerte, zweitens auch den Geschmack verbesserte. In das Wasser war darauf grobes Meersalz gegeben worden, welches er in einem Supermarkt in Lucca in Italien erworben hatte. Bestimmte Zutaten sollten für ihn immer auch eine besondere Geschichte haben. Wenn man diese dann verwendete, wehte ein Hauch von Erinnerung mit ins Mahl. Glücklicherweise kann Reis von alleine kochen, man muss noch nicht einmal umrühren, wenn man die Hitze nicht zu hoch wählt. Herr Nipp hatte immer wieder mal das Gefühl, dass dieses Lebensmittel tatsächlich allein arbeitete, wenn das Wasser erst einmal die richtige Temperatur erreicht hatte. Als Gemüse war eine Mischung aus Petersilienwurzel, Knollensellerie und Möhren gewählt worden. Etwas Gemüsebrühe und ein Schuss Sojasauce sollten den Geschmack abrunden. Mehr braucht es fast nicht neben Salz und Pfeffer, frisch gemahlen. Die eigentlichen Suppengemüse gaben einen starken Geschmack, der von den Möhren abgerundet werden konnte. Sämtliche Gemüse waren übrigens mit einem Sparschäler in hauchdünne Scheiben geschnitten, nicht dicker als anderthalb Millimeter, eher weniger. Dann müssen sie auch nur wenige Minuten gedünstet werden und können mit Biss gegessen werden, auf keinen Fall zu weich. Graubrot hatte er in Olivenöl gebraten, Sesam dazu gegeben, der Geschmack dieser Samen, wenn sie die richtige Färbung erreichen, ist einfach ein Phänomen. Zum Essen gab es einen frischen Orangensaft, keinen Wein, musste nicht immer sein. Er füllte sich das Essen gut dekoriert auf, genoss den Anblick. Genoss den Geschmack. Genoss die Ruhe seines Mahls. Alles in allem hatte er sich viel Zeit gelassen und mal wieder die Arbeit am Schreibtisch hinausgezögert.

   

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, dokumentiert auf KUNO 1994 – 2019

Weiterführend → Zu einem begehrten Sammlerstück hat sich die Totholzausgabe von Herrn Nipps Die Angst perfekter Schwiegersöhne entwickelt. Außerdem belegt sein Taschenbuch Unerhörte Möglichkeiten, daß man keinen Falken mehr verzehren muss, um novellistisch tätig zu sein. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle konsequent zu Twitteratur ein. Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus die bibliophile Kostbarkeit Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp. Begleitendes zur Veröffentlichung des Buches Fatale Wirkungen, von Herrn Nipp (Mit Fotos von Stephanie Neuhaus). Über die historische Aufgabe von Herrn Nipp aus Möppelheim.

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.

Diese bibliophile Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421