Twitteratur, Versuchsfeld III

 So bleibt man mit sich alleine und hat nur die eigene Versöhnung des Gelingens oder die kleine Geschichte des Versagens.

Diese Variante der Twitteratur beschreibt die Augenblicke, da das Wahrnehmen in das Verlangen umschlägt, das Wahrgenommene schreibend zu fixieren. Wenn Peter Meilchen spazieren ging, begegnete ihm ein Übermaß an Welt. Das mußte er bewältigen – mit Sprache, mit Sätzen und Satzfragmenten, in denen die Welt weiter mäandert, vibriert und manchmal auch herausbrüllt. Er porträtierte in seinem Werk eine untergehende Welt – und überwand sie. Opulenz, Würde und Gesellschaftsanalyse verband er wie kein anderer. Wenn wir Romantik als Autonomie des Imaginären verstehen, dann handelt es sich hier durchaus um romantische Notate, die sich aus der Spannung zwischen Realität und Imagination, Besitzen und Begehren ergeben. Wer von seinem Leben erzählt, erzählt immer eine Erfolgsgeschichte. Wer erzählt, lebt. Schon das ist ein Triumph. Wer erzählt, ist der geworden, der erzählen kann. Wer erzählt, ist nicht allein. Er gehört in eine Welt, die seine Welt geworden ist. Ganz auf die Ablagerungen der eigenen Biographie setzend und ohne Attitüde benennt Meilchen so die Quelle seiner reichen und doch nie vagen Twitteratur.

 

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Leben in Möglichkeitsfloskeln von Peter Meilchen, auf Kulturnotizen 2013 / 14

Weiterführend →

Ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

Lesen Sie auch den Nachruf über Peter Meilchens Lebenswerk und den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein Linz.

Weiterhin von Peter Meilchen in der Edition Das Labor erhältlich:

Schland, DVD, Edition Das Labor, Mülheim 2009

Texte, Hörbuch, Edition Das Labor, Mülheim 2010

Beobachtungen eines Unsichtbaren, DVD, Edition Das Labor, Mülheim 2011

Leben in Möglichkeitsfloskeln auf Kulturnotizen 2013

Schimpfen, Roman, Edition Das Labor, Mülheim 2013

Frühlingel, erscheint im Buch/Katalog-Projekt Wortspielhalle, Edition Das Labor, Mülheim 2014