mühlengesang

 

und die gewitterwinde

sie tragen den donner

wie sie rauschen

wie sie mit lauter woge

den wald durchströmen

und nun schweigen sie

langsam wandelt

die schwarze wolke

und der geschmetterte

wald dampft[1]

mühlenfragmente

mit bewimperten segeln

fahren erinnrung vorbei

langsam doch angetrieben

auch jetzt vom tausendarm[2]

da stehen wir

der odem der natur um uns

der alleserheiternde

seelenvolle[3]

windgeheilt[4]

denn nun wachsen der erde

die großen flügel

und allen träumen neues

schwebendes gefieder

windmonat november

und alle herzen werden

zu gärten

und blühen wieder[5]

weh uns

lächelnder sturm[6]

weht bäume des lebens

ins harfengetön

rausche mit ihnen[7]

neuen räumen jung entgegen[8]

kristallner strom

reibende raunende

harfenwinde

ihr tönt nie es ganz[9]

ihr segelt umsonst

vor euch unendlichkeit[10]

in singenden hainen der erde

kraft die unendliche[11]

spielt

mit den sinnenvollen augen[12]

und immer weht der wind[13]

und immer wieder geht da

der sturm der umgestalter

durch die zeit[14]

summt harfengleich

in den drähten der allee[15]

die kohlenwälder rohren[16]

melodischwechselnd[17]

und in den abendlärm

der städte

fällt es weit[18]

sehr leise rührt

des abends blauer flügel

ein dach von dürrem stroh

die schwarze erde[19]

atmet wieder

und leise tönen im rohr

die dunklen flöten

des herbstes[20]

runenrhythmen[21]

mühlengesang


[1] Klopstock, Die Frühlingsfeier

[2] Paul Celan, Hafen

[3] Hölderlin, Ermunterung

[4] Paul Celan, Hafen

[5] Max Dauthendey, Die Amseln haben Sonne    

   getrunken

[6] Alfred Mombert, Musik der Welt

[7] Klopstock, Dem Unendlichen

[8] Hermann Hesse, Stufen

 [9] Klopstock, Dem Unendlichen

[10] Schiller, Die Größe der Welt

[11] Hölderlin, Ermunterung

[12] Novalis, Hymne an die Nacht

[13] Hofmannsthal, Ballade des äußeren Lebens

[14] Rilke, Der Schauende

[15] Hans Carossa, Heimweg

[16] Gerrit Engelke, Tod im Schacht

[17] Hölderlin, Der Frieden

[18] Georg Heym, Der Krieg

[19] Georg Trakl, Der Herbst des Einsamen

[20] Georg Trakl, Grodek

[21] Edgar Allen Poe, Die Glocken

 

 

***

Weiterführend

KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben.