Hängeherzhaar

Hängt mir doch das Haar auf. Bitte.

Ich kann das Gewicht auf der Kopfhaut nicht mehr ertragen. Wie das zieht im Scheitel.

Mir knickt fast der Nacken ab.

Das Rückgrat lässt sich kaum noch gerade halten unter so einer Last. Ehrlich.

Wer da nicht zerbricht.

Aber wozu haben wir denn diese Vorrichtungen, die Sicherheiten.

Oder.

Ja, so ist es gut. Sammelt die Strähnen ein, einzeln.

Die walnussbraune Wellenbewegung, die mir der Wind so gerne ins Gesicht wehen würde.

Darf er aber nicht.

Also hebt mir das Haar hoch, das zuckerwattige, das gebauschte. Und hängt es auf.

Fanni, wo bleibt denn der Cognac?

Streut mir Ei in die Strähnen. Dann vergeht auch diese Zeit.

Was ist das? Hast eines meiner Haare mit Klebemittel an deinem Rocksaum befestigt, Fanni? Du falsches Luder, ehrlich.

Ausgegangen? Nicht möglich. Spring dir gleich an die Gurgel, Fanni.

Ich hab doch nur mein Haar.

Bringt mir das Sternendiadem.

Wie die funkeln, 3 komma 5 Zentimeter vom Himmels Zelt gestohlen.

Groß, gewölbt, das Glänzen ist üppig, anders als mein marmorner Körper.

Der nur wie ein Haar durch die Milch. Und schon wieder fast nicht mehr da ist.

Meine Sterne, es gibt sie wahlweise mit zehn oder zwölf Strahlen.

Je nach Ausfertigung.

Auch ich bin in den verschiedensten Facetten zu haben: Steckbrieffrisur, kunstvoll geflochtenes Rapunzel, weiße Blüten in den Strähen et cetera.

Kastanienbraun gefärbt raunt mir so die Haarpracht, die bis zu den Fersen reicht, am Kopf rum. Drei Stunden brauchts, bis ihr sie durchgekämmt habt.

Fanni. Also fang endlich an, kämm sie. Kämm gegen die Sinnlosigkeit einer Zeit an. Und dann häng mich an ihnen auf.

Haaraufwärts.

Herzabwärts.

Dieses Gewicht ist zu schwer. Aber das liegt an der Seele. Wenn die sich nur durch ein Loch rauspusten ließe. Flieg Seele, das Körper Gerät bleibt einstweilen hier. An den Strähnen stranguliert. Na egal. Einstweilen bin ich noch Haar. Und walnussbraun. Und wunderschön. Fanni.

 

 

***

Sisi als Migrantin, Dichterin und kulturelle Grenzgängerin – Die Dichterinnen und Künstlerinnen Sandra Gugic, Augusta Laar, Judith Nika Pfeifer und Sophie Reyer haben für das SISI PROJEKT Texte und Briefe der Kaiserin Elisabeth „Sisi“ von Österreich, bearbeitet und in Videos, Remixes, Texten und Zeichnungen neue Lesarten zum Vorschein gebracht.

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KUNO erinnert an: Oden an die Zukunftsseelen. Die schwärmerische Lyrik Kaiserin Elisabeths. Live–Hörspiel von A.J. Weigoni. Ein Kollegengespräch zwischen Sophie Reyer und A.J. Weigoni findet sich hier.