Momentaufnahme der Seele

 

Früher hatte sie den Kleingeist vieler beobachtet: wenn sie immer nur auf eine bestimmte Stelle ihres Lebens schauten, sie zum Zentrum ihres Befindens, ihrer Zeitbildungen ernannten, durchdrungen waren von dem Geist, den sie selber schufen, indem sie lange und lustvoll ihren Lebensblick darauf hefteten, bis sie nichts anderes mehr sehen und hören könnten, als diesen Gegenstand der Sorge. Ist das Klein- oder Zeitgeist, fragte sie sich. Lagen Wissenschaft und Spießertum wirklich so weit auseinander? Sie freute sich daran, wenn sie haarscharf am Zeitgeist vorbei dachte. Da hast du wieder ein Thema und kannst es durchdeklinieren.

Der nächste Denkschritt bot eine erinnerte und immer wieder neu produzierbare Aneinanderreihung von Unterbrechungen. Kann man ein Ich unterbrechen, fragte sie sich. Ihr wurde bewußt, sie fragte sich das jeden Tag. Wo bleibt es dann? Verkümmert es? Sie ging herum und dachte: Jetzt eine Momentaufnahme der Seele machen und in ihr verschwinden.

 

 

 

 

Weiterführend → 

Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd