Ach

 

Ich denke oft, wir leben alle gar nicht wirklich, wir sind nicht richtig in der Welt, weil wir heute anders sind als gestern, denke ich, und morgen schon wieder anders als heute.

Gestern ist eben gestern, und heute heute. Und morgen ist nicht heute, und heute ist nicht gestern, und schon gar nicht morgen, ich weiß, gestern ist nicht heute, das ist das Gute an gestern, das ist aber auch das Gute an heute, gestern bleibt gestern, genau, und heute ist nicht gestern und gestern ist nicht heute, gestern kann gar nicht heute sein, wie gesagt, gestern ist gestern und heute heute, heute ist kein Mittelding zwischen gestern und morgen, heute ist ja noch nicht einmal heute! Das wird mir immer klarer.

Wenn ich mich mit mir unterhalte, merke ich immer wieder, ich bin nicht ich, ich bin ich weiß nicht was, ich bin vielleicht gestern mal ich gewesen, heute bin ich ein anderer, und morgen bin ich wieder ein anderer, und wenn ich ich sage, dann ist das im Grunde nichts anderes als eine widerliche grammatische Verlogenheit, weil ich nicht ich bin, weil ich gar nicht ich sein kann und mir nur einbilde, dass ich ich bin, oder war, weil ich gestern und vorgestern auch schon ich zu mir sagte.
Und wenn ich du zu mir sage?

Du hast es immer wieder mit dem gleichen Problem zu tun: Gestern warst du der und heute der. Niemals warst du du, sage ich, auch wenn ich du bin. Du sage ich zu mir, oder ich sagt du, das ist egal, weder ich noch du beschreiben mich, ich und du sind keine zuverlässigen Wörter für das, was wir sind.

 

 

 

Weiterführend →

Ulrich Bergmann nennt seine Kurztexte ironisch „gedankenmusikalische Polaroidbilder zur Illustration einer heimlichen Poetik des Dialogs“. Wir präsentieren auf KUNO eine lose Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente. Lesen Sie zu seinen Arthurgeschichten den Essay von Holger Benkel. Eine Einführung in seine Schlangegeschichten finden Sie hier.