Der Schreiber ist beim Schreiben allein

 

Jeder hat seine Art zu schreiben, er gibt sich selbst die Regeln. Er geht von sich aus und von der Welt. Der Autor macht sich im Schreiben kollektiv. Das Kollektive geht durch ihn hindurch – das ist dann gelungene Literatur.

Es ist die Crux vieler, nicht nur junger Autoren, dass sie allzu oft Tagebuchtexte schreiben, Weltschmerzmonologe, und darin ihren  Beziehungsjammer ausgießen. In manchen Fällen geht das gut, nämlich wenn die Texte ins Allgemeine streben. Dafür ist eine gute Sprache Voraussetzung und die Abstraktion vom eigenen Ich in einem allgemein gültigen lyrischen oder epischen Ich, also durch Gestaltung, die von mir selbst weitgehend ab-sieht.

Wichtig ist der metaphorische Kern und seine Vernetzung mit der Welt. Der Lyriker muss sich in die Welt begeben. Er darf nicht träge sein und nur im Kopf leben. Seine Gedichte sollen Protokolle des Lebens sein, die Welthaltigkeit heißt aber nicht einfach nur: Ich. Oder: Ich und mein Weltbild. Es ist so leicht und bequem, im Ich-Tümpel zu baden. Es ist aber unmöglich, in so einem Tümpel ins Meer hinauszuschwimmen.

So haben wir auf der einen Seite die larmoyanten bis selbstverliebten Monologisten, auf der anderen Seite Tempo- und Tageslyriker und lyrische Auskotzer.

Selbstdisziplin ist eine wichtige Voraussetzung für eine dichterische Entwicklung, dazu gehört natürlich Geduld und das Aushalten des Scheiterns.

 

 

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Aus der Reihe „Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft“  Gedanken über das lyrische Schreiben.

Ulrich Bergmann, Dichter und Denker

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