KANTATE 2004 – Eingangschor

 

Wir kommen an den ort um hier zu bleiben

Wir bleiben hier so lang der ort nicht bleibt

So lange die ihr todeszeichen schreiben

sind wir das leben das sein zeichen schreibt

 

Wir sind gekommen um das holz zu pflanzen

hier wo beton die magre erde drückt

Wir wollen unsern schwarzen tag vertanzen

Denn weiße nacht wird sein wenn das hier glückt

 

So lange sie ihr todeszeichen schreiben

sind wir das leben das sein zeichen schreibt

Wir kommen an den ort um hier zu bleiben

Wir bleiben hier so lang der ort nicht bleibt

 

Zwischenlied, einzelstimme

 

So kamen viele die schon lange

im widerstand sich aufgezehrt

und nahmen um erfolg nicht bange

nen kreis um die vermessungsstange

das war es ihnen wert

 

Andere stimme

 

Gorleben war es wert

Wir kamen von überall her

Gorleben war es wert

wir kamen hin

mit leichtem sinn

und dann saßen wir auf der erde schwer

und haben die wolken beschwert

 

Duett

 

Der mann mit der decke hält

der alten frau den plan

Der mit kurzer matte verzällt

das hätt er als bulle getan

Der cheguevarero denkt

 

sich djungelkriege aus

Das hexenmädchen hängt

nen ginsterbesen raus

 

Ein junge teilt wasser aus

Die sonne steht am scheitel

Der pastor beim freundschaftshaus

haut nuten mit dem beitel

 

Das mädchen schleppt den tag

an feuerholz und verkäuft

den bund für lakritzen wer mag

Der junge vom radio läuft

und legt allwo kabel versteckt

Mit Ho! wird der funkmast gehievt

Am spaten der architekt:

Wenn dat man steihn blievt

 

Und alle zusammen heben

den langen firstbalken auf

Und an den abenden leben

gitarren und trommeln auf

 

Einzelstimmen

 

Wer vorbei kam fragte

wo ist das neue land?

weiter hinten

ihr werdet’s schon finden

dort auf Gorlebens sand

 

Indianer gibt’s auch?

das waren die ersten hier

auf 1004 und paß auf

tritt nicht auf den

ersten lauch

 

Bin ausgestiegen um

nach Wendland zu gehen

Ja red nit lang

pack hier mit uns an

bleib nicht so da stehn

 

 

Ich hab’s vernommen

ich bin gekommen

ich will nicht nur

einen sommer kommen

 

Pack mit an   den hammer genommen

Pack mit an daß wir

voran kommen

 

Und wer wegging sagte

das war das land

macht’s allen bekannt

Die betonwüste hat

einen rand

 

Vorsänger

 

Ein mann kam ins gebiet der freien wenden

er bat um brot und ist geblieben dann

und machte sich ans werk mit seinen händen

und abends fing er zu erzählen an:

 

I

Auch Dommel* ging dorthin

wollt sehn wie weit es war

Die durften nicht beginn‘

das war dem Dommel klar

 

Und Dommel rief: das laßt!

sie hörten nicht darauf

und rieben voller hast

die ganze menge auf

 

Und Dommel nahm nen stein

und lief zum bauzaun vor

Sie schlugen auf ihn ein

Er lag im blut am tor

 

II

Die freunde trugen ihn

zum städtschen krankenhaus

da rin zwar ließen sie ‘hn

jedoch nich wieder raus

 

Sie stellten sich vors haus

in wut und euphorie

und riefen: gebt sie raus

und warteten auf sie

 

Spät ging er mit uns raus:

Die haben uns gezeigt

wer katze und wer maus

Na ja sie schlugen leicht

 

III

In Grohnde wird gebaut

darauf verlaßt euch nur

als gält’s nicht ihre haut

Im bunker die sind stur

 

Hängt zu viel schwarzes geld

an dem atomverhau

Der plan ist aufgestellt

die wurst ist abgepellt

St Martin quiekt die sau

 

Er hörte was es gab

und sah wie weit’s schon war

Das wird mal unser grab –

Und dann blieb Dommel da

 

Chor

 

Wir sind nach Grohnde her

zu sehn wie weit es galt

Der widerstand lief leer

Das eine war

uns allen klar

die machen’s mit gewalt

 

 

 

***

Rohlieder I – X von HEL

HEL ist bekannt geworden als Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. Diese Gedichte legen eine Stimmung frei, die zwischen Melancholie und Unbeschwertheit, Wehmut und Klarheit wechselt.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Ein faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.