Gegen mich

Was imitiere ich, welchen Trends folge ich? Spricht die Vielzahl meiner Veröffentlichungen wirklich gegen mich? Mir ist klar, dass ich kein Beckett bin, kein Rimbaud. Muss ich einen unverwechselbaren Personalstil erschaffen? Wie etwa Horváth? Hat denn Max Frisch in seinen Romanen einen wirklich unverwechselbaren Sprachstil? Ist mein Sprachstil so öd und leer („Blablatiker“, „gefällige Phrasen… steril und luftdicht verpackt“)? –

Ich feile in der Tat viel an meiner Prosa. So lange, bis kaum ein Wort zuviel ist. Meine kurzen Erzählungen sollen (manchmal: anekdotische) Parabeln sein. Die Stoffe finde ich in der Realität, sind teils selbst erlebt, was die kommunikative Kälte unter Menschen angeht, ihre (infantilen) Moden oder Individuationsdefizite. Ich lese vieles an meinen Schülern ab, an ihren Eltern und Freunden. Und ich finde immer wieder die Stoffe in Zeitungsberichten, die ich dann stark umgestalte, collagiere, zuspitze und dadurch wahrer mache(n will). Ich bin kein Schwätzer wie Houellebecq, kein Langweiler wie Martin Walser – und ich weiß nicht, welchem Trend ich folge und wen ich imitiere. Dass wir alle in den Spuren der Zeit und unserer literarischen Vorgänger gehen, ist unvermeidlich. Ein Neuerer bin ich nicht. Mein Erzählstil folgt sprachlich (grammatisch) dem Normativen, in den Bildern und Redewendungen längst nicht immer, in der Fugung der Erzählteile und -perspektiven liegt ein großer Teil meiner Eigenwilligkeit. Ich nehme wenig Rücksicht auf das einfache, leichte Textverständnis des Lesers. Ich zähle vielleicht zu den Kleinmeistern. Aber ich denke, ich bin kein germanistisch infizierter Schreiber (obwohl Wissen und Bildung nicht schadet – viele deutsche Gegenwartsschriftsteller haben Literatur studiert), ich bin als Erzähler primär auch kein Lehrer, obwohl ich (wie alle die schreiben) auch nicht abstreiten kann, dass meine Arbeiten (selbst-)therapeutisch sein können. Ich fühle mich nicht berufen ein neues Kapitel der Literaturgeschichte zu schreiben.

[An HEL 15.4.2004]

 

Weiterführend →

Ulrich Bergmann nennt seine Kurztexte ironisch „gedankenmusikalische Polaroidbilder zur Illustration einer heimlichen Poetik des Dialogs“. Wir präsentieren auf KUNO eine lose Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente. Lesen Sie zu seinen Arthurgeschichten den Essay von Holger Benkel. Eine Einführung in seine Schlangegeschichten finden Sie hier.