Schmerzhafte Unterhaltung

 

„Wenn er nachts plötzlich aus dem Schlaf hochschrickt, nicht weil er etwas gehört hat oder schlecht geträumt, sondern weil dieser stechende Schmerz seinen Tribut fordert. Dann muss er sich unter der Bettdecke zusammenkrümmen und atmet stoßweise, als sei er in den letzten Stunden ein um die andere Runde gelaufen. Morgens ist das Bett klamm. Ohne Halt, als werde er von den griechischen Göttern gejagt, oder von den Furien und nordischen Asen gleichzeitig. Die finden nie etwas Gutes an den Menschen, es sei denn, sie können ihn ausnutzen und gleichzeitig so tun, als sei dies eine Gnade. Das ist wohl eine der erfolgreichsten Taktiken der Götter vieler Religionen. Sie tun so, als würden sie beschützen, letztlich aber zürnen sie viel lieber und versuchen aus der Schwäche der Menschen Kapital zu schlagen. Und alle paar tausend Jahre wird ein Pakt, ein Bund und Bündnis geschlossen. Und die Menschen, immer wieder auf das Neue bauend und vertrauend, schließen voller Hoffnung den Kontrakt oder werden mit roher Gewalt und drohender Auslöschung gezwungen, ihn zu schließen. Aber wir wissen aus unserer Gegenwart alle, dass Verträge brüchig sind, von beiden Seiten. Da muss nur eine schlechte Laune kommen und schon haben wir den Salat. Irgendeine Ausrede zum Bruch findet sich immer. Da wird versprochen, die Menschen seien in alle Zukunft von aller Last und Plage verschont und im nächsten Moment oder einfach aus Langeweile wird eine bisher unvorstellbare Epidemie zwei Drittel der Bevölkerung auslöschen. Wahrscheinlich nicht aus Bosheit der Götter, sondern aus Gleichgültigkeit und Experimentierfreude. Da hat einer der kleineren eben einige Stücke liegengebliebener DNA zusammengeworfen und will mal im Labor Erde ausprobieren, was passiert. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, Pein zu verursachen. Neuerdings haben sie ein völlig anderes Betätigungsfeld entdeckt, sie spielen an der Börse und verursachen Staatszusammenbrüche. Aber das kann derzeit noch nicht bewiesen werden.“

Herr Nipp hatte den ausschweifenden Ausführungen eines Bekannten aufmerksam zugehört, wartete darauf, dass dieser zum eigentlichen Thema, dem Schmerz zurückkommen würde. Aber so ist das mit dem Gesprächen nun einmal, manchmal lässt ein Wort, eine Assoziation, den Sprecher, die Gruppe einen neuen Weg gehen. Das ursprüngliche Thema wird dann der Einfachheit halber einfach vergessen und hinterher war es wieder eine bunte Unterhaltung.

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, dokumentiert auf KUNO 1994 – 2019

Weiterführend → Zu einem begehrten Sammlerstück hat sich die Totholzausgabe von Herrn Nipps Die Angst perfekter Schwiegersöhne entwickelt. Außerdem belegt sein Taschenbuch Unerhörte Möglichkeiten, daß man keinen Falken mehr verzehren muss, um novellistisch tätig zu sein. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle konsequent zu Twitteratur ein. Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus die bibliophile Kostbarkeit Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp. Begleitendes zur Veröffentlichung des Buches Fatale Wirkungen, von Herrn Nipp (Mit Fotos von Stephanie Neuhaus). Über die historische Aufgabe von Herrn Nipp aus Möppelheim.

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.

Diese bibliophile Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421