Die brillianteste Erfindung der Evolution: Blätter

„Brilliant Trees erreicht ungewollt den Status, den Sylvian immer angestrebt hat. Es ist ein Meisterwerk.“

Steve Sutherland, Melody Maker

 

Manchmal reicht es, die beteiligten Artisten aufzuzählen, dieses Album ist mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail gestaltet und gebaut haben. Das von Sylvian und Steve Nye produzierte Album „Brilliant Trees“ war Sylvians erstes Studioalbum nach der Auflösung der Band Japan im Dezember 1982 (obwohl die ehemaligen Japan-Mitglieder Steve Jansen und Richard Barbieri auf dem Album zu hören sind). Zu den weiteren Musikern auf dem Album gehörten Holger Czukay, Danny Thompson, Jon Hassell, Mark Isham, Ronny Drayton, Kenny Wheeler, Phil Palmer und Ryuichi Sakamoto vom Yellow Magic Orchestra (YMO). Sylvian und Sakamoto hatten bereits bei den Singles „Bamboo Houses“ und „Forbidden Colours“ zusammengearbeitet und setzten ihre Zusammenarbeit im Laufe ihrer Karrieren immer wieder fort.

David Sylvian erforscht tiefgründige Themen wie Suche, Reflexion und innere Reisen und gibt damit den Ton für sein Solowerk vor.

Dieser Versuch hätte auch auf schmähliche Weise schiefgehen können… die Texte des Albums enthalten Bezüge zu Schriftstellern, Denkern und Künstlern, die Sylvian zu dieser Zeit beeinflussten, darunter Jean-Paul Sartre, Pablo Picasso und Jean Cocteau. So verweist das Lied „The Ink in the Well“ auf Cocteaus Film „Das Blut eines Dichters“ und Sartres Roman „Das Zeitalter der Vernunft“. Viele der Texte drücken zudem Sylvians Suche nach Spiritualität in verschiedenen Formen aus.

Für die Aufnahmen des Albums entschied sich Sylvian, mit Musikern zusammenzuarbeiten, die er als feste Band schätzte.

Sylvian passte die Arrangements an ihre Mitwirkung an und wies jedem Musiker eine spezifische Rolle zu, anstatt weniger leidenschaftliche Studiomusiker zu engagieren. Als großer Bewunderer von Holger Czukays Studioalbum „Movies“ lud Sylvian den deutschen Musiker auch zu einem Beitrag ein. Czukay lieferte die innovativen Samples, die er über ein Diktiergerät abspielte, und wurde ein enger Freund.

Dieses Album geht über Pop weit hinaus, etwa in Richtung Art-Rock, Ambient und Jazz und integriert Einflüsse aus der Weltmusik.

Sylvians 1984 erschienenes Solo-Debütalbum „Brilliant Trees“ gilt als Meilenstein des Art-Pop/Ambient-Genres und markiert seinen Abschied von der Band ´Japan`. Er verschmolz Funk, Jazz (unter anderem mit Jon Hassells Trompete), Ambient-Klänge und weltmusikalische Elemente mit Themen wie Selbstfindung und Spiritualität. Ehemalige Mitglieder von Japan und die oben aufgezählten Kollaborateure wie Ryuichi Sakamoto wirkten mit. So entstand ein üppiger, introspektiver und genreübergreifender Sound, der die Grundlage für seine spätere Karriere legte. Zu den wichtigsten Stücken zählen das gefühlvolle „Nostalgia“, das funkige „Pulling Punches“ und der ausladende Titeltrack, der eine ausgefeilte Produktion und tiefgründige, persönliche Texte präsentieren. Bemerkenswert sind „Pulling Punches“: Ein funkiger, bläserbetonter Opener mit kraftvollem Schlagzeug. Bemerkenswert ist auch „The Ink in the Well“, garniert mit einem jazziges Flügelhorn. Der Titeltrack „Brilliant Trees“  ist ein ausgedehntes, fast andächtiges Stück mit Hassells Trompete und ethnischer Perkussion. Dies ist ein wegweisendes Album, das Sylvians einzigartige künstlerische Stimme etablierte, ein beeindruckenden Beispiel für anspruchsvolle, tiefgründige Pop-/Kunstmusik. Hier steht Sylvians Gesang im Vordergrund, begleitet von Hassells Trompete und einem summenden Synthesizer im Hintergrund. Der Song scheint eine zarte und andächtige Stimmung anzustreben, im langen instrumentalen Outro der zweiten Hälfte gesellen sich zu Hassells Trompete mehrere Spuren ethnischer Perkussionsinstrumente. „Brilliant Trees“ mag seiner beachtlichen Länge nicht ganz gerecht werden, ist aber dennoch ein faszinierendes Klangjuwel. Dieses Album bleibt eine zeitlose Reise.

 

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Brilliant Trees, von David Sylvian. 1984

Weiterführend Glam Rock feat. T. Rex, Steve Harley & Cockney Rebel, Roxy Music. Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch, sowie eine Rock and Roll Hall of Fame. Daher der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe

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