LIED VON DEN FREMDEN NÄCHTEN

für Antidiseuse

 

Ich hab mich verraten zu lange

ich war nur im dämmer klar

ich stand in der satten schlange

obwohl ich doch hungrig war

Ich mußte rennen nach nächten

die nächte waren besetzt

Und scheite müßtest du flechten

wenn du der liebe nicht hättst

Den kopf durch metallische riege

der bauch machte andere satt

aus lächeln und lüge die stiege

am ende? einer setzt matt

und dennoch kühl geblieben

den freunden die wange gezeigt

und hungrig und weiter getrieben

und immer hat’s denen gereicht

Und lieg ich im zimmer abends

die nacht ein vergebenes Du

ein spiegelrachen des habens

und sag mir: was gibst du dazu?

dann frag ich: wo bist du gewesen

und mondlicht kriecht übern hals

Du hast das leben gelesen

geschrieben bestenfalls

Ich komm bei mir an zweiter stelle

ich steh zwischen spiegel und tür

Sei du doch meine neue welle

komm auf mein eis zur kür

Denn eigentlich stehn wir beide

nur bei uns selbst in der kreide

 

 

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Rohlieder I – X von HEL

HEL ist bekannt als Herausgeber neuer Talente im „literarischen Underground“ und Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Ein faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Zur Lyrik von HEL findet sich hier ein Rezensionsessay von Holger Benkel. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.