Die Stunde stirbt wie in dem Wind die Frucht

 

Es rollen die Äpfel Dir vor die Füße am Weg,

Augustwind bläst mit vollen, warmen Backen,

Die Ähren stehen struppig, gelb und träg,

Und Wolken wandern, wie Berge mit gläsernen Zacken.

Mein Haus liegt dort unter den gläsernen Bergen

Und atmet Menschen ein und atmet Menschen aus.

Tage wie Riesen, Tage gleich den Zwergen

Trafen sich oft um Mitternacht am Haus.

Des Windes Fahne rauscht am Dach vorüber,

Die Sommerstund enteilt auf blauem Kahne,

Die Gläserberge werden matt und trüber,

Und keine Stunde, ob ich sie auch mahne,

Stillt ganz der Sehnsucht ewige Lebenswunde.

Die Stunde stirbt, wie in dem Wind die Frucht,

Und wenn nicht Liebe sie vertraut umwirbt,

Die Stunde, wie der Apfel an dem Weg, verdirbt.

 

 

 

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Die von Farben und Tönen bestimmte ungebundene und rhythmische Lyrik machte Dauthendey zu einem der bedeutendsten Vertreter des Impressionismus in Deutschland. Seine Werke sind bestimmt von der Liebe zur Natur und deren Ästhetik. Mit virtuoser Sprachbegabung setzte er seine Sensibilität für sinnenhafte Eindrücke in impressionistische Wortkunstwerke um. Bereits seine erste Gedichtsammlung von 1893 mit dem Titel „Ultra-Violett“ lässt die Ansätze einer impressionistischen Bildkraft erkennen, die dichterisch gestaltete Wahrnehmung von Farben, Düften, Tönen und Stimmungen offenbart. In seiner späteren Natur- und Liebenslyrik steigerte sich dies bis zur Verherrlichung des Sinnenhaften und Erotischen und traf sich mit seiner Philosophie, die das Leben und die Welt als Fest, als panpsychische „Weltfestlichkeit“ begriff. Rilke bezeichnete ihn als einen „unserer sinnlichsten Dichter, in einem fast östlichen Begriffe“.

 Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.