Porträt Benno Derda

 

Originell bis zur Eigenwilligkeit: Plötzlich hängt eine dieser Türen im Raum, Druckplatte, Bildwerk, Skulptur, verweist auf zwei Kerngebiete, beständige Kriseneinsatzgebiete im Werk Benno Derdas. Druckgraphik, Bildhauerei. Wie Skulpturen gedachte, entwickelte Graphiken, immer von der Idee des Raums beseelt. Ein inniges räumliches Spiel mit dem Verhältnis der Volumen an imaginärem Ort, einem Denkort, der erwandert werden muss, mit Blicken. Es zeigt sich, daß der erfahrene Grafiker, Radierer, Holzschneider seine sensiblen, leidenschaftlichen Seinserfahrungen in gänzlich von unserer Vorstellungskraft abgelöste Bildkonstrukte umzusetzen vermag, wobei eine schwingende, gleichsam sich verzehrende Tonalität entsteht, die, als Echo oder Spiegelung auf den zu Ende gedachten Gedanken, den zu Ende erlebten Moment verweisend, seine Kunst in die Nähe zur Abstraktion rücken. Die Rhythmisierung von Flächen und Lineaturen gerät zu einer melodiösen Komposition mit strenger Kontrapunktik. Die Bilder gehen über eine graphische Erzählung hinaus, entwickeln sich eigene Räume, eigene Welten. Jede Arbeit tieferer Inhalt, künstlerisch-philosophische Betrachtung. Entwicklungen und Prozesse des Machens bilden sich als metaphorischer, metaformer Prozess. Die Zinkplatte als Grundlage seiner Radierungen scheint für Benno Derda ein optimales Medium zu sein. Ätzen, Ritzen und Schaben, hinzufügen und wegnehmen lassen seine Bilder wachsen. Ein Prozess also des Grabens und Schürfens, ein immerwährender Suchzustand.

In ihrer »Kulturgeschichte der Nacht« hat Elisabeth Bronfen kürzlich von der „überdeterminierten Unbestimmtheit“ der Bilder gesprochen. Tatsächlich ist es eine Besonderheit dieser Spielart des Symbolismus, keiner konventionellen Symbolsprache mehr folgen zu wollen, auf den Mehrwert tieferer Bedeutung aber gleichwohl nicht verzichten zu wollen. Benno Derdas Ästhetikwelt ist in die Zukunft weisende Spekulation mit einem eigenen Regelwerk der Konstruktion, einer eigenen Strategie der Konzentration. Eine Kunst also, die sich dem modischen Massengeschmack nicht anbiedert, sondern eigenes Energiepotential entwickelt. Er beobachtet und sichtet seine Umwelt und nutzt diese Auseinandersetzungen als Grundlage künstlerischer Arbeitsprozesse, wobei der Anlass niemals den Endpunkt darstellt, sondern eine Lawine bildnerischer Entwicklungen in Gang setzt, keine polternde, tosende, aber langsame, unaufhaltsame.

Es entsteht so eine Denkart ohne gültige Ist- Zustände, der Augenblick bindet sich hier bewusst ein in Zeitabläufe, Benno Derda sieht und gestaltet so Bilder und Bildprozesse als Ansammlung von Zeit. Sein Werk ist ein sprechendes Zeugnis dafür, dass der aktuellen Rückkehr der Mimesis in die Malerei die Brüche und Leerstellen der Avantgarde von gestern eingeschrieben bleiben. Seine Bilder sind keine Renaissance der traditionellen Landschaftsmalerei. Sie zeigen keine Neigung zur das Gemüt erwärmenden Natur. Ihre Poesie kommt aus Verlassenheit, blankness und Leere. Nicht die Bildidee wird in diesem Sinne konstituierend für den letzten Arbeitszustand, sondern die Auseinandersetzung mit dem Entstehen von Bildwirklichkeiten im Bezugsfeld von Raum, Zeit, Figuration und Landschaft. Trotzdem scheinen diese Bilder immer von einer fast naiven Ehrlichkeit zu strotzen, sie wollen nur die einfache Betrachtung darlegen. Das Spannende ist nicht nur das Ergebnis, sondern auch das Machen. Was an dieser Arbeit ergreift, ist nicht nur die Derda selbstverständliche Geschicklichkeit der Hand, der Werkzeugführung, sie bliebe im reinen Handwerk wie die vieler anderer Graphiker, welche sich in Gefilden der Zimmerdekoration tummeln, sondern die innere Wahrheit. Seine Farbkompositionen erscheinen als Augenblicke bildlichlyrischer Gespanntheit. Bei Benno Derda zeigt sich jene eigentümliche Spannung, wie sie auch für zahlreiche Werke von Haimo Hieronymus charakteristisch ist: Durch die scheinbar zeitlosen Sinnbilder schimmern die Insignien der Gegenwart. Die Vision wird ins Auge gefaßt, doch die Auserwählten heben nicht wirklich ab. Es fasziniert das  augenintrigante Spiel zwischen brutalen Farbbrüchen und zartesten Übergängen, Farbwerten zwischen glänzendem Licht und stumpfer Trübnis, zwischen harten Konturmomenten und weichstem Formübergang, zwischen dichten Blocksetzungen und lavierenden Durchsichtigkeiten. Eine Spiegelung der Welt nicht, eine Erschaffung. Immer am Rande der Figürlichkeit, eine Vermutung menschlicher Anwesenheit, eine Ahnung der Wesenheit der Dinge.

Benno Derda, in Köln geboren, lebt und arbeitet seit gut achtzehn Jahren in Siegen. Er nutzt dort ein eigenes Atelier, das er sich trotz einiger Widrigkeiten über die letzten Jahre aufbauen konnte. Seit Beendigung seines Kunststudiums bei Georg Tokarz und Daniel Hees arbeitet er als freier Künstler an Malerei, Skulptur und dem Schwerpunkt Druckgrafik, im Besonderen an Radierungen und Holzschnitten. Benno Derdas Reihen fügen diese Einzelwirklichkeiten zusammen, in denen jede nur zwingend, daß heißt mit absoluter Gültigkeit, einen Platz findet, dann Beziehungen zum umgebenden Raum und zu den anderen Arbeiten aufbaut. Er reiht nicht einfach auf, dies wäre schnell geschehen, er sucht einen nervenzehrenden Dialog zwischen Arbeiten und Raum, zwischen sich selbst und den ihm Helfenden. Bilder werden aufgestellt, gruppiert, umgruppiert und weggenommen, Konstellationen werden gefügt und verworfen. Wenn man Benno Derda beim Sichten seiner Bilder erlebt, hat man das Gefühl, daß eigentlich kein großartiger Unterschied zwischen bildnerischen Prozess und der Betrachtung besteht. Alles ist zunächst offen und gerät mit der Zeit zu einem schlüssigen Ganzen. Dies für sich kann eine aufreibende Situation sein, die Nächte füllt, welche er aber mit Ruhe, Geduld und immer einer Salzbrezel in Griffweite meistert. Wer in die Bildräume dieses Künstlers steigt, kann eine Ahnung von seiner grundlegend skeptischen Haltung gegenüber den einfachen Bildfindungen erhaschen. Er scheint aus dem unübersichtlichen Viel der Eindrücke, die ihn umgeben ein organisches Ganzes zu entwickeln, in welchem jeder Strich, jede Form, jede Schattierung Bezug zu den anderen Bildern evoziert. Gerade aber wenn man sich dann in den einzelnen Bildteilen in ihre Harmonie gedacht hat, diese Verwandtschaften erfassen konnte, muss das Auge im nächsten Augenblick mit einem gewittrigen Bruch rechnen. Der Organismus Bild zeigt Erregungspunkte einer irrlichternden Flüchtigkeit. So zerschießt er zeitlos die Uhren und lässt den Betrachter in einem nicht deutbaren Raum zurück, immer ein wenig ratlos, immer ein wenig verblüfft und immer sehr fasziniert.

 

 

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.