Salzburg, le 24 d’avril 1780
Ma très chère Cousine!
Sie haben meinen letzten Brief so schön beantwortet, daß ich nicht weis wo ich Worte hernehmen soll, ihnen dafür meine Dankbezeugung genug zu bezeugen, und Sie zugleich neuerdings zu versichern, wie sehr ich seye
Dero gehorsamster Diener und
aufrichtiger Vetter
WOLFGANG AMADÈ MOZART
Ich wollte gerne mehr schreiben, allein der Raum wie Sie sehen
ist
zu adieu adieu
klein
Nun aber Spaß und Ernst; Sie müssen mir schon für diesmal verzeihen, daß ich ihren allerliebsten Brief nicht so wie er es verdiente, von Wort zu Worte beantworte, und erlauben, daß ich nur das nothwendigste schreiben darf; nächstens werde ich meinen Fehler nach möglichkeit zu verbessern suchen — Es sind nun 14 Täge, daß ich Mr Böhm geantwortet habe – mir liegt nur daran zu wissen, ob mein Schreiben nicht zu Verlust gegangen, welches mir sehr leid wäre – denn sonst weiß ich nur gar zu gut, daß Mr Böhm alle Täge nur zu sehr occupirt ist – dem sey wie ihm wolle, so bitte ich Sie in jedem Fall mein lieber Knall, Tausend Komplimente zu machen – und ich warte nur auf einen Wink von ihm, so ist die Aria aldort fertig. –
Ich hab gehört. daß Murschhauser seye auch krank; ist das wahr? – das wäre nicht gut für Mr Böhm. – Nun beste werden Sie wohl alle Tage, auch bey Sturm und Hagel, das Theater fleißig besuchen, weil Sie Entrée frey sind? – Neues weis ich ihnen nichts zu schreiben, als daß leider Joseph Hagenauer |:bei welchem sie, meine Schwester und ich im Erker-stübel Choccolate getrunken:| gestorben ist. – ein grosser Verlust für seinen Vatter – sein Bruder Johannes |:der verheurathete:| welcher, weil er sich auf seinen seligen bruder gänzlich verlassen konnte, das Faulenzen so ziemlich gewohnt war, muß nun recht daran, welches ihm ein bischen sauer ankömmt. –
Nun, meine liebste, beste, schönste, artigste, und liebenswürdigste – bald geschrieben! – das bitte ich mir aus, alle Neuigkeit in und aus dem Hause – an alle die Leute, welchen Sie Komplimente geschrieben, wieder doppelt, so viele – Adieu – Nächstens einen ganzen Bogen; doch – vorher von ihnen, mein Schatz, ein ganzes Buch voll – adieu Von meinem Vatter Papa und meiner Schwester zizibe, alles erdenkliche – an dero Aeltern von uns 3en, 2 Buben und ein Madl, 12345678987654321 Empfehlungen, und an alle gute freunde von mir allein 624, von meinem Vatter 100 und von Schwester 150 zusammen 1774 und summa summarum
12345678987656095 Complimente.
***
Die Bäsle-Briefe wurden von der Forschung lange im Giftschrank versteckt.
Wolfgang Amadeus Mozart, ein PräDaDaist? Er ist auch ein Sprachspieler, reimte und vertauschte, schuf falsche Partizipien und neue Redewendungen, formte Worte zu Witzen zusammen und entliess seine Adressaten gern mit «summa summarum 12345678987654321 Empfehlungen», 100’000’000’000 Küssen oder «333 Complimenten». Und über all diesen Blödeleien waberte der strenge Geruch seines ausgeprägten Fäkalhumors. Ganz besonders gut riechen kann man diesen in Wolfgangs Briefen ans Bäsle, seine Cousine Maria Anna Thekla Mozart. Im Oktober des Jahres 1777 besuchte der 21-Jährige die zweieinhalb Jahre jüngere Tochter seines Onkels Franz Alois in Augsburg. 15 Tage verbrachten sie gemeinsam. Das sind 15 Tage, dessen wohl vergnüglicher Inhalt uns für immer verborgen bleibt. Einzig Wolfgangs Briefe, die er nach seinem Aufenthalt in Bayern an sie schrieb, sind die Zeugen einer dort geknüpften Verbundenheit der beiden jungen Leute. Marias Antworten sind bis heute verschollen.
Weiterführend → Mozart auf der Reise nach Prag ist eine Künstlernovelle von Eduard Mörike, welche an das musikgeschichtliche Genie Wolfgang Amadeus Mozart anknüpft und über eine völlig frei erfundene Begebenheit berichtet. Geschildert wird ein Tag aus dem Leben Mozarts im Herbst 1787.
Eine Vorschau auf einen Briefwechsel → Zwischen 1995 und 1999 hat A.J. Weigoni im Rahmen seiner Arbeit für den VS Kollegengespräche mit Schriftstellern aus Belgien, Deutschland, Rumänien, Österreich und der Schweiz geführt. Sie arbeiteten am gleichen „Produkt“, an der deutschen Sprache.