Der Serial Killer als Popstar

Lecter ist kein Ed Gein oder Ted Bundy, der wahllos Menschen tötet. Dass auch dieses Morden zum berechnenden System erhoben werden kann, unterstrich John McNaughton 1986 in seinem beunruhigenden Henry.

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Mit Das Schweigen der Lämmer betrachten wir ein B-Movie in der Tradition eines Jack Arnold, in dem wir die Darsteller aus der Güteklasse-A von Hollywood bereits kennen. Ähnlich wie weiland Psycho von Sir Alf oder Opera von Dario Argento trägt dieser Film darzu, die Hemmschwelle für guten Filmgeschmack, sagen wir: auszuweiten.

Das Mädchen aus Taxi Driver.

Die junge FBI-Anwärterin Clarice Starling befindet sich noch in der Ausbildung, als sie an einem besonders schwierigen Fall mitarbeiten darf. Das FBI ist auf der Jagd nach einem Serienmörder, der von den Boulevard-Medien „Buffalo Bill“ getauft worden ist. Dieser hat bereits mehrere junge Frauen ermordet und post mortem Teile ihrer Haut entfernt. Da die Ermittler unter der Leitung von Jack Crawford keinen Schritt weiterkommen, entschließen sie sich zu einer ungewöhnlichen Taktik. Ausgerechnet der inhaftierte Serienmörder Hannibal Lecter, der mit Vorliebe die Innereien seiner Opfer verspeiste, soll ihnen bei der Aufklärung des aktuellen Falls helfen. Der Psychopath ist zwar einerseits hochgefährlich, hat aber als erfahrener Psychiater einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Polizei: Er kann sich in die Gedanken des Täters hineinversetzen und seine nächsten Schritte erahnen.

Kunst kann abscheulich sein, weil die Realität abscheulich ist.

Clarice besucht Hannibal in der von Dr. Frederick Chilton geleiteten Anstalt, dem Baltimore Forensic State Hospital. Dort wird Lecter in einer fensterlosen Zelle unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen gefangen gehalten.

Kann man den Kannibalen und Serienmörder als Künstler bezeichnen?

Der kannibalistische Mörder zeigt sich nach einigem Zögern kooperativ, stellt aber eine Bedingung: Quid pro quo. Für jede Information, die er Starling gibt, will er von ihr ein Erlebnis aus ihrem Privatleben erfahren. Im Verlauf der in größeren Abständen mit Lecter geführten Gespräche wird deutlich, dass Clarice unter einem psychischen Trauma leidet. Als Kind hat sie ihren Vater verloren, der als Polizist bei einem Einsatz ums Leben kam. Danach lebte sie kurze Zeit auf dem Hof ihres Onkels, flüchtete aber. Denn dort gab es einen Schlachthof, und sie konnte es nicht ertragen, dass sie noch nicht einmal den Lämmern das Leben retten konnte, die sie schreien hörte. Wenn Clarice schlafen geht, hört sie manchmal die Lämmer immer noch schreien. Hannibal erkennt ihre Zwangslage und provoziert sie damit. Er unterstellt ihr, dass sie davon träume, mit der Verhaftung von „Buffalo Bill“ ihr Trauma zu überwinden, und dass dann die Lämmer schweigen werden. Im Verlauf der Gespräche zeigt sich, dass Lecter so etwas wie Sympathie für die aus kleinen Verhältnissen kommende, ehrgeizige und willensstarke FBI-Agentin empfindet.

Was macht die Faszination eines Serienmörders aus?

Zwischen den beiden Protagonisten entwickelt sich ein psychologisches Duell auf hohem Niveau. Als Clarice bei der Obduktion eines Mordopfers einen seltenen verpuppten Schmetterling (Acherontia) findet, der dort offensichtlich vom Täter platziert worden ist, weist Lecter sie darauf hin, dass der Täter die eigene Identität hasse, sich nach der Verwandlung in etwas Schönes sehne und wahrscheinlich eine Frau werden möchte.

Nachdem die Tochter einer Senatorin entführt worden ist, behauptet Lecter, den Täter zu kennen.

Er verlangt bessere Haftbedingungen und eine Verlegung aus dem Forensic State Hospital. Die Senatorin lässt ihn nach Memphis bringen und bietet ihm eine Verbesserung der Haftbedingungen an, wenn er bei der Ergreifung des Täters helfe. Lecter wird im Gerichtsgebäude Tennessee Courthouse unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen gefangen gehalten. Dennoch gelingt ihm eine tollkühne Flucht, die zwei Polizisten, Mitarbeiter eines Rettungswagens und ein Tourist mit dem Leben bezahlen müssen. Lecter verschwindet unerkannt.

Steckt in jedem von uns ein finsterer Trieb?

Clarice versucht, mit Hilfe der Erinnerung an die Gespräche mit Lecter und einiger seiner Notizen den Fall zu lösen. Lecter hatte ihr mitgeteilt, dass der Mörder begehren würde. Sie schließt daraufhin, dass der Mörder begonnen habe, etwas zu begehren, was er täglich gesehen habe, und fährt nach Belvedere, Ohio. Als sie die Familie des ersten Mordopfers besucht, versteht sie das Mordmotiv: Der Mörder entführt korpulente Frauen, lässt sie eine Zeit lang hungern, ermordet sie und zieht ihnen die Haut ab. Aus dieser Haut näht er sich ein Kleid, welches er tragen kann, da er sich danach sehnt, eine Frau zu sein. Clarice trifft bei ihren weiteren Ermittlungen auf einen Mann namens Jack Gordon aus dem Bekanntenkreis des ersten Mordopfers. Dieser introvertierte Schmetterlingsfreund heißt mit wirklichem Namen Jame Gumb und entpuppt sich schließlich als der Mörder „Buffalo Bill“. In dessen Haus, in dem er sich nach einem absichtlich verursachten Stromausfall mit einem Nachtsichtgerät orientiert, das er bereits bei der Entführung der Tochter der Senatorin benutzte, kommt es zum Showdown. Starling erschießt ihn in Notwehr und befreit die Tochter der Senatorin, die in Gumbs Keller gefangen gehalten wird.

Starling machtan der FBI-Akademie ihren Abschluss und erhält während der Abschlussfeier einen Anruf:

Lecter meldet sich vom Flughafen der Karibikinsel Bimini, wo gerade sein ehemaliger Gefängnisdirektor Dr. Frederick Chilton eingetroffen ist. Er fragt Clarice, ob die Lämmer nun schweigen, und während er den nervös und gehetzt wirkenden Dr. Chilton aus der Ferne beobachtet, verabschiedet er sich von Clarice mit der Bemerkung, er habe noch ein Abendessen mit einem alten Freund.

Ein gute Chianti? Eher nicht!

Den Geschmack von Dr. Lecter vermag KUNO nicht zu teilen. Zu Leber paßt Zweigelt, Sankt Laurent und Blaufränkisch mittelkräftig. Fruchtige Rotweine mit wenig Tannin ergänzen die zarten Röstaromen der Leber ohne unharmonische Bitternoten zu erzeugen. Wahrscheinlich ist uns dieser Film im Nachgang eher säuerlich aufgestoßen.

 

 

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Das Schweigen der Lämmer, Regie Jonathan Demme, die Hauptrollen spielten Jodie Foster als Clarice Starling und Anthony Hopkins als Hannibal Lecter.

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KUNO hat ein Faible für Trash. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge. Produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Ebenso verwiesen sei auf Trash-Lyrik .