Eine Erinnerung an die Nachtigall der Kurzform

 

Das Schreiben spielt die Rolle, dass es mir vielleicht vorkommt, als hätte alles einen gewissen Sinn. Wenn mir zwei oder drei Sätze gelingen, dann habe ich das Gefühl, meine Existenz wäre nicht völlig absurd, als bliebe noch ein Funken Sinn übrig.

Ilse Aichinger

 

Die Nachtigall der Kurzform in der Literatur ist verstummt. Ihre Texte sind voller Empathie für ihren Gegenstand, die Anziehung lag darin, daß sie sich dem oberflächlichen Verstehen gründlich widersetzen. „Vielleicht schreibe ich nur deshalb, weil ich keine bessere Möglichkeit zu schweigen sehe“, hatte Ilse Aichinger 1971 bei der Verleihung des Nelly-Sachs-Preises erklärt. Das Nicht-Schreiben sei, wie sie fortführte: „der schwierigere und längere Teil dieses Berufes“. Ihr Schreiben war zuletzt die reflektierte Suche nach dem, was verschwindet. Es besteht Hoffnung, daß Wort und Gefühl, Imagination und Realität, Liebe und aufgelöstes Leid in eins fallen, von der auch Ilse Aichinger spricht. Im geschwätzigen Hallraum der Medien fällt auf, wie eine solche Stimme vermisst wird.

 

 

Weiterführend →

Bestand die Modernität des Aphorismus bisher in der Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist Twitteratur.

Weiterführend → ein Essay über Twitteratur.

Twitteratur, eine Anthologie. Erweiterte Taschenbuchausgabe mit der Dokumentation des Hungertuchpreises. Herausgegeben von Matthias Hagedorn, Edition Das Labor 2019.