Schallplattenspieler

Vorbemerkung der KUNO-Redaktion: 1986 wurden zum ersten Mal mehr CDs als Schallplatten gekauft. Nun hat Vinyl die CD wieder überholt.

 

Es gibt Worte, die so aus der Zeit gefallen sind, dass ihre Schönheit kaum noch zu sehen ist. Für Herrn Nipp ist es unter vielen anderen das Wort Schallplattenspieler. Er fragt sich, was er heute dazu sagt. Verbunden mit dem Wort Schneewittchensarg ist der Schallplattenspieler direkt nicht nur ein Wort, sondern die Erinnerung an eine vergangene Zeit. Vielleicht sogar eher das Versprechen einer vergangenen Zeit an die mögliche Einheit von Schönheit und Qualität, von Lebensgefühl und Modernität.

Seine Tante hatte ein ähnliches Modell besessen, Rosita Stereo Kl 460, leider eben nicht von Brauns genialen Designern Dieter Rams und Hans Gugelot, ein weißer Korpus und ein durchsichtiger Kunststoffdeckel, darin viel Technik, aber ein bisschen der Versuch einer Nachahmung. Damals, so kann er sich erinnern, war der Klang wirklich toll. Wenn er dort, oben in ihrer kleinen Dachgeschosswohnung, seine Siegfried-Platte hören durfte, sein Lieblingsheld aus den Nibelungen, dann konnte er sich in der Zeit verlieren. Meist malte er dann verloren mit billigen Buntstiften auf gebrauchtem Büropapier oder legte sich einfach auf den Teppichboden, schaute zur Decke und versuchte die Unebenheiten der Raufasertapete zu Bildern zusammenzuziehen. Als er dieser Tage mal wieder Vinylscheiben im Wohnzimmer hört, wie jeden Tag, allerdings mal mit Besuch, denn er hat seine Jugendschätze eben nicht in den Keller geräumt, sondern lebt mit ihnen, hat stattdessen seine CD-Sammlung verbannt, sagt ein Freund dieses alte Wort. „Schallplattenspieler“ und sofort muss Herr Nipp an das alte Gerät seiner Tante denken. Am gleichen Abend noch durchstöbert er den Keller und tatsächlich, da steht dieses Wunderwerk der Technik noch. Er wird es entstauben und in seiner Wohnung wieder in die Gänge kriegen und dann seine Klassikplatten auf der Rosita hören. Das verspricht er sich. Und wer weiß, vielleicht findet er auch noch irgendwo die alte Schallplatte mit der Geschichte von Siegfried.

 

 

 

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Home Taping Is Killing Music war eine Kampagne der British Phonographic Industry. Der Slogan war meist als Aufkleber auf Plattencovern zu finden.

Weiterführend → KUNO läßt nach diesem Pro auch ein Contra zu Wort kommen. Laut Deutschlandfunk sind Tapes „Hipper als Vinyl“. Lesen Sie zum Tonträger Kassette auch den einführenden Essay aus dem KUNO-Archiv.